Die „wahre Quelle“
Trotz der erfolgreichen Beseitigung sämtlicher „Anwender“ und Benutzer von Sehan, dem grünlichen Drogenkonzentrat, war schnell klar, dass der Pool, in dem der selbsternannte Sektenführer badete bestenfalls eine Abfallgrube mit Inhaltsstoffen, die abhängig machen konnten, darstellte, aber nicht die Quelle des unheilvollen Serums war. Diese musste sich in einer noch tieferen Ebene befinden. Während Yue-Fei sich auf den Weg machte, diese tiefere Ebene, zu der es mindestens den Zugang durch den Pflanzenwuchs-Tunnel gab, auszuspähen, entdeckte Imogen, dass sie zusammen mit Xannrys Seil genug Absicherung zusammenbasteln konnten, um den Abstieg zu wagen. Xannry war dann auch bereits unten angekommen und Imogen mindestens auf halbem Weg, als die Kreatur, die hinter einer metallbeschlagenen Holztüre eingesperrt war, sich endgültig aus dem Gefängnis befreien konnte und in wilder Raserei die verbliebene Gruppe attackierte. Der Kampfeslärm veranlasste Imogen sofort die Kletterrichtung umzukehren, um ihren Kameraden beizustehen. Jedoch konnte Sorn zusammen mit einem über alle Maßen göttlich und magisch motivierten Durrak die Gefahr durch das zweiköpfige und 8-armige Monster sehr schnell entschärfen.
Zu deutlich mehr Gefahr führte der Kampf gegen zwei schwimmende Würmer, die wohl die wahre Quelle bewachen sollten. Diese bestand aus einem Tümpel mit enormen Ausmaßen und befand sich tatsächlich direkt unter dem zentralen Kultraum. Einem der zwei Wächter gelang es, Yue-Fei in den Tümpel aus säureähnlichem Sehan zu ziehen, aber die Mönchin widerstand dem Einfluß der Droge mehrfach. Der andere schlug in kurzer Folge zuerst Xannry und dann Zurgin nieder, bevor er durch Sorn und Imogen, die später auch noch von Durrak unterstützt wurden, in Bedrängnis gebracht wurde. Am Ende hatte die Gruppe das bessere Ende und die beiden Wächter das zeitliche gesegnet. Der Kultist, der mit einem Dolch im Rücken bäuchlings neben der Quelle liegend gefunden worden war, gab der Gruppe einige Rätsel auf. Die Spuren im Sand und in der Nähe des Ufers legten aber nahe, dass eine weitere Person diesen Mord begangen hatte und sich danach eines der drei dafür vorgesehenen Tongefäße mit Sehan gefüllt und davon getragen hatte. Die Gruppe füllte sich ebenfalls sämtliche Krüge und Phiolen, die nicht anderweitig verplant waren mit dem konzentrierten Sehan und stellten dann durch mehrere Sickerleitungen sicher, dass niemand mehr durch diese Quelle zu größeren Mengen an Sehan-Sekret gelangen konnte. Die Drainage war so erfolgreich, dass schon nach wenigen Stunden sämtliche Flüssigkeit in die Umgebung versickert worden war. Die verbliebenen Gegenstände konnten problemlos vom Grund des trocken gelegten Pools eingesammelt werden. Es waren einige sehr nützliche Gegenstände dabei.
Die Rückkehr nach Exag sollte gleich nach einer ausgedehnten Ruhephase erfolgen. Trotzdem hatte diese noch eine Überraschung zu bieten. Gleich nach dem Verlassen des unterirdischen Komplexes fiel der Gruppe ein Feuer auf, welches durch eine hohe Rauchsäule nicht zu übersehen war. Sorn, in Verkleidung eines Kultisten, begab sich auf Erkundungstour zu dem Lagerplatz. Dort begegnete ihm ein Oger, der mit einem Steckbrief nach der Gruppe suchte. Nach dem Bericht von Sorn gab es unterschiedliche Vorschläge, wie mit der Sache umzugehen sei. Während Sorn, Imogen und Zurgin die heimliche Flucht präferierten, marschierten Xannry und Durrak, nach kurzem Zögern auch Yue-Fei auf das Lager der Oger zu, um sie zur Rede zu stellen. Zurgin unterstützte die Aktion durch eine Darbietung der besonderen Art, der die Oger dermaßen faszinierte, dass sie einfach nur noch herumstanden und Zurgin mit ihren Blicken nicht aus dem Auge ließen. Als Zurgin einem der beiden auch noch plausibel machen konnte, dass sich sein Ziel in einiger Entfernung befände und er doch dringend die Verfolgung aufnehmen müsste, machte die Gruppe mit dem verbliebenen Oger kurzen Prozess und fand neben dem Steckbrief, der eine Markierung enthielt, die unter Umständen den Auftraggeber dingfest machen konnte, auch 500 Platinmünzen, die wohl eine Art Belohnung für den nun nicht mehr erfüllbaren Auftrag darstellten.
Die Mühe, den zweiten Oger zu verfolgen, sparten sich die Abenteurer und zogen es vor, endlich direkt nach Exag zurück zu reisen, was auch ohne weitere Vorkommnisse gelang.
Die Gnome waren weiter dabei, Green Welcome zu produzieren, man fand Hinweise darauf, dass tatsächlich der Ladenbesitzer, ein gewisser Pan Phar Trissek, den Steckbrief mit der Gruppe ausgegeben hatte. Zu welchem Zweck und aus welcher Motivation heraus, war jedoch weiter unklar. Um nicht weitere Zeit zu verlieren, traten die Abenteurer als nächstes die Rückreise nach Erelhei-Cinlu an. Die Idee war, mit Hilfe von Evelyn Despana eine Abkürzung der Reise zu den Diamantfällen erreichen zu können. Diese Reise war nötig geworden, um eine weitere Zutat (neben dem Green Welcome) für das Ritual, was große Teile des Hauses Despana für die Rückeroberung durch Evelyn bereit machen sollte (sprich: lahmlegen soll), zu besorgen. Ein Tropfen Blut von einer Verwandten von Imogen, welche laut Durrak, seit vielen Monaten als Untote bei den Diamantfällen auf Durraks Rückkehr warteten. Es bestand Grund zur Annahme, dass Evelyn in der Lage und willens sei, der Gruppe die Reisezeit extrem zu verkürzen.
Die Rückkehr nach Erelhei-Cinlu war dann auch (fast) so unproblematisch wie vermutet. Die Gruppe mietete sich im „Grim Ghost“ ein und mied das Ausländerviertel, da sie zum einen etwas wohlhabender zurückgekehrt waren, als sie aufgebrochen waren und zum anderen befürchteten, in ihrer alten Unterkunft erkannt zu werden und dadurch in ihrem Aktionsspielraum eingeschränkt zu sein. Die Kontaktaufnahme mit Evelyn war auch recht erfolgreich und nach kurzem Austausch über einen Mittelsmann war der Plan gefasst, eine Reise mit magischen Hilfsmitteln zu unternehmen. Evelyn wollte dafür Anybis in die Pflicht nehmen, was ihr allem Anschein nach auch gelang. Die Gruppe sollte sich in weniger als 2 Tagen in der „schwarzen Witwe“, einer Kneipe im Ausländerviertel, einfinden und das Hinterzimmer von „Thomas“ – so hieß der Handlanger von Evelyn – besuchen. An dieser Stelle klinkte sich Sorn für einige Zeit aus und suchte nach Action in seinem alten Betätigungsfeld…
Der Turm im Eis
Er war allerdings pünktlich zur Stelle, als es darum ging, den Teleport-Train nicht zu verpassen. Die Abenteurer fanden sich an dem vereinbarten Ort ein und wurden von Thomas direkt in ein Hinterzimmer bugsiert. Unter dem dortigen Teppich befand sich eine Falltür, die eine hölzerne Leiter in die Dunkelheit freigab, als Thomas sie öffnete. Xannry, der sich dem Kelch näher fühlte, als je zuvor, trat als erster in die Dunkelheit hinab. Mit Hilfe der dauerhaften Flamme in Form einer magischen Fackel war es für die Gruppe kein Problem, den etwa 20 Meter langen unterirdischen Gang bis in einen Raum mit drei Türen zurückzulegen, in dem sich die Magierin namens Anybis befand, die sowohl vor als auch nach der Wiedererweckung von Evelyn Despana eine zentrale Rolle gespielt hatte. Sie begrüßte die Abenteurer mit knappen Worten, warf Xannry mit den Worten „Eure Rückfahrkarte“ eine Schriftrolle zu und gab allen Anwesenden zu verstehen, dass man ihren Mantel berühren solle, um die Reise anzutreten. Die 4 schwer bewaffneten Drow im Raum sorgten für eine Kulisse, die klar zu verstehen gab, wer hier Auftraggeber und wer Auftragnehmer war.
Anybis sprach einige arkane Worte und für die Gruppe Abenteurer löste sich die Dunkelheit auf und im nächsten Moment standen Durrak, Imogen, Xannry, Sorn, Zurgin und Yue Fei in grellem Sonnenlicht und kühler Luft direkt neben einem erstaunlich großen See, den selbst Zurgin, der auf seinen Reisen schon sehr weit herumgekommen war und einige Geschichten der Diamantfälle gehört hatte, nicht erwartet hatte. Die Tatsache, dass die Spitze eines Turmes in einiger Entfernung aus dem Wasser ragte, zeigte ebenfalls, dass hier vor nicht allzu langer Zeit andere Verhältnisse geherrscht hatten.

Imogen entdeckt Fusspuren, einige Menschen, die womöglich am Wasser waren, um ihren Durst zu löschen oder Vorräte in ihre Dörfer zu tragen.
Ein nicht unwesentlicher Teil der Wasseroberfläche ist allerdings tatsächlich zugefroren bis hin zu dem Turm, den man über die geschlossene Eisdecke womöglich erreichen kann.
Alle außer Durrak und Xannry fühlen sich zu der Wanderung ermutigt und begeben sich auf den Weg zum Turm in der Hoffnung, dort Informationen über den Verbleib von zwei Zombies zu erhalten, die von Durrak ja zu den Diamantfällen geschickt wurden, um dort auf ihn zu warten. Die Tatsache, dass er immer noch eine gewisse Form von Kontrolle über diese belebten Körper spürte, hatte ja den Anstoß gegeben, nach ihnen zu suchen.
Am Turm angekommen, begegnet die Gruppe einem Ettin, ein zweiköpfiger Riese, der den aus der Nähe betrachtet wohl für Riesen gebauten Turm bewohnte. Er schien nicht sofort feindselig eingestellt zu sein, sondern bedeutete den Abenteurern, auf die andere Seite des Turms zu gehen, wo wohl ein besserer Zugang möglich sei. Auf dem Weg dorthin brach allerdings ausgerechnet Yue Fei ins Eis ein und das Kippen der eisglatten Oberfläche riss auch Zurgin mit ins eiskalte Wasser. Der begnadete Schwimmer, quasi ein gnomischer Olympiasieger, ging prompt unter, nachdem er mit einem kräftigen Lungenzug noch einen Hilfeschrei und das Aktivierungswort seines Spinnwebenstabs produziert hatte. Durrak, der die Szene vom Ufer aus beobachtete, lief sofort los, um vielleicht noch einen guten Blick auf Zurgins Ableben erheischen zu können (oder vielleicht doch, um vielleicht noch hilfreich werden zu können!?). Yue Fei, die Wasser als nicht ganz so fremdes Element empfand, konnte sich durch Wassertreten über Wasser halten und langsam auf einer Eisscholle zu schwimmen, wo sie mit ihren Handäxten den nötigen Grip fand und sich aus dem Element des Lebens, das durchaus ihr Tod hätte sein können, herauszog. Zurgin hingegen, der sich mit Hilfe des Spinnennetzes unter Wasser auch noch bewegungslos gezaubert hatte, war in einer echt miesen Situation. Imogen wollte ihm helfen und an dem Seil, das jeder in der Gruppe in weiser Voraussicht in die Hand genommen hatte, aus dem todbringenden Wasser herausziehen, hatte aber zum einen nicht mit ihrer mangelnden Stärke, zum anderen mit stabileren Spinnweben gerechnet. Kurzum, ihre Versuche waren zum Scheitern verurteilt. Mit jeder Sekunde wurde die Lage für Zurgin aussichtsloser. Erst als es ihm gelang, mit letzter Kraft erneut nach dem Seil zu greifen und mit dem Mut der Verzweiflung eine große Portion Fett aus dem Hexazurginmeter herausdrückte, so dass er weniger stabil in dem Spinnennetz fest hing, gelang es den vereinten Kräften von Imogen, Sorn und zuletzt auch noch Yue Fei, die ja aus eigener Kraft das Wasser verlassen hatte, Zurgin ebenfalls aufs sichere Eis zurückzuholen. Zurgin zögerte keine Sekunde und fror sämtliche Risse im Eis mit Hilfe seines Froststabs zu, den er schon recht lange mit sich herumtrug. Als Durrak endlich ankam, war der Kampf gegen das Wasser aber bereits gewonnen.

Die Gruppe geht ums Eck, betritt den Turm, trifft Hoinnia. Die Tiefling scheint ein kampferprobtes Wesen zu sein, macht aber einen freundlichen ersten Eindruck, da sie die Abenteurer in den Turm hereinbittet und fragt, ob sie ihrer Herrin ein Geschenk mitgebracht hätten.
Die Antworten der Gruppe sind etwas unkohärent und enthalten etwa genauso viele Gegenfragen, so dass zunächst ein lockerer Small Talk entsteht. Hoinnia will wissen, was die Abenteurer in so eine entlegene Gegend verschlagen hat, die Gruppe versucht, etwas mehr über den Zweck und die Bewohner des Turms herauszufinden.
Als Hoinnia sich kurz entschuldigt, sich aber während ihrer Abwesenheit nachdrücklich wünscht, dass Extratouren durch den Turm zu unterlassen sind, betritt ein Ettin den Raum und erhält einen Befehl der Tiefling.
Die Gruppe fängt natürlich an, den Ettin zu befragen und Sorn schafft es, ihn davon zu überzeugen, ihm seine Waffe auszuhändigen, was ihn etwas verdutzt zurücklässt. Doch damit nicht genug. Sorn ist nochmals erfolgreich und bringt den waffenlosen Riesen dazu, zu versuchen, seinem Kumpan ebenfalls die Waffe ab zu schwatzen.
Zumindest ist der erste Ettin überzeugt, dass das eine gute Idee ist. Der zweite eher weniger, so dass es zwischen den beiden zu einem heftigen Streit kommt, der diese Wachen erst mal aus dem Spiel nimmt.
Hoinnia kommt scheinbar unsichtbar zurück und die Gruppe stellt sich mental bereits auf einen Kampf ein, muss dann aber feststellen, dass zwar die Ettins mit sich selbst beschäftigt sind, jemand anderes aber von außerhalb des Turmes Angriffe gegen die Abenteurer lanciert. Als Xannry vom Ufer aus mehrere Gestalten mit Langspeeren aus dem Wasser steigen und in den Raum mit seinen Gefährten wandern sieht, macht er sich doch noch auf den Weg zum Turm.
Der Kampf ist trotz einer großen Übermacht aufgrund der ausgeruhten Gruppe und der grandiosen Finte von Sorn nur zu Beginn etwas unübersichtlich, aber zu keiner Zeit hoch gefährlich. Die Gegner in Gestalt mehrerer Fish Warrior, einer Hexe und Hoinnia, sowie den Ettins, die aber erst nach langem Zögern in den Kampf eingreifen, werden einer nach dem anderen unschädlich gemacht. Als die Hexe stirbt, geben die meisten der noch lebenden Warrior die Schlacht geschlagen und fliehen aus dem Obergeschoss des Turms.
Absuchen der ganzen Ebene bringt einige Wasser atmen Tränke zum Vorschein, die, zusammen mit Sprüchen von Durrak dafür sorgen, dass die ganze Gruppe einen Tauchgang in die tieferen Ebenen unternimmt. Sie finden viele leere Räume, die in großer Eile verlassen wurden, einen Raum mit einer in Eisblöcken konservierten Vogelsammlung, sowie im tiefsten Stockwerk eine zweite Hexe und schließlich auch die zwei Zombies, derentwegen man diese Reise überhaupt erst unternommen hatte. Nach dem Besiegen der zunächst als verletzte Halbelfe simulierende Hexe kehrt Ruhe im gesamten Turm ein.
— Pause —


Zurück in Erelhei-Cinlu
Nach einer länglichen Diskussion über die moralischen und ethischen Implikationen einer Reisegepäcksanpassung mit (nicht mehr Un-) toten Zombies wird schließlich aus Pragmatismus doch die Schwertlösung gewählt und der prompte Rückführung aller Betiligten mit Hilfe der Teleportationsspruchrolle steht nichts mehr im Weg.
Kaum zurück im „Grim Ghost“ wird auch umgehend die bekannte Ex-Matrone kontaktiert, die auch recht zeitnah einen ihrer getreuen Diener zu den Abenteurern schickt. Die Nachrichten, die er hat, sind allerdings nur mittelgut. Evelyn hält den Treffpunkt Grim Ghost für nicht mehr geeignet, da sie keinesfalls im Endstadium der Vorbereitungen ihrer Rückübernahme der Macht im Haus Despana ein Risko eingehen möchte, was aber ein „mit Oberweltlern gesehen werden“ eindeutig hervorrufen würde. Sie bittet die Gruppe, einen geeigneten für das nächste Treffen mit Übergabe der „Zutaten“ für das Ritual und weiteren Absprachen über die Vorgehensweise angesichts des bevorstehenden Angriffs, zu finden. Sorn fühlt sich sogleich berufen, seine „alten“ Kontakte zu bemühen und berichtet nach einem etwas länger als notwendig erscheinenden Ausflugs von einer derzeit wohl verlassenen Taverne (der Vorbesitzer wurde von einem Mindflayer „abgeholt“) im Ghetto der Schausteller. Die zusätzliche Zeit hatte Sorn in der Kaserne der Familie Despana verbracht, wo er beim Kapitän und Ausbilder der Wache Tymeth Despana mit Hilfe eines Doppel-Attentats den Keim eines Zweifel säen wollte, ob denn die aktuelle Matrone denn auch länger als „nur vorübergehend“ tatsächlich die Geschicke des Hauses Despana führen würde oder vielleicht doch nicht. Verknüpft war die Andeutung mit dem Angebot, dass es Tymeth, sofern er sich im Fall der Fälle Zeit lassen würde mit einer Reaktion, nicht zu seinem Nachteil gereichen würde. Inwiefern Tymeth die Finte glaubte oder nicht, ist (noch) nicht geklärt.
Mangels besserer Ideen, bzw. im Vertrauen auf Sorns Ortskenntnisse begab sich die Gruppe gleich am nächsten Tag zum „Sanguine Dusk“, einer tatsächlich offenbar unbewohnten, bzw. unbesetzten Taverne, die sogar eine Teilunterkellerung besaß. Natürlich wollten die Gefährten nicht ohne eine vorherige gründliche Inspizierung der Örtlichkeit Evelyn Despana informieren, sondern erst einmal selbst nach dem Rechten sehen. Sie betraten zielstrebig den Hauptraum, in dem die Tische und Tresen kaum Staub angesetzt hatte, was angesichts der vorliegenden Informationen ein wenig seltsam anmutete. Dennoch verliefen sich die Abenteurer schnell in den Gängen und als die halbe Gruppe bereits im oberen Stockwerk angekommen war, der Rest aber noch im Erdgeschoss zurück geblieben war, passierte es. Ein gewaltiger Donnerschlag zerfetzte das Dach des Gebäudes an mehreren Stellen, Säure zersetzte Reste der Dachschindeln, während ein Feuerball einen anderen Teil des Daches aufbrach. Das bedrohliche Gefühl, einer unglaublich mächtigen Kreatur ausgeliefert zu sein, erfüllte die ganze Gruppe und die meisten der Abenteurer begannen, zu zittern. Fast zur selben Zeit tauchten auch im Haus Gegner auf, die ohne langes Diskutieren sofort das Feuer mit vergifteten Armbrustbolzen auf die Gruppe eröffneten. Dass zu dem bedrückenden Gefühl auch tatsächlich eine äußerst gefährliche Kreatur in Form eines riesigen schwarzen Drachens gehörte, war zumindest Imogen klar, als sie gegen ihre Furcht ankämpfend die ersten Pfeile auf das finstere Ungeheuer abfeuerte. Zurgin stimmte allerdings unmittelbar ein Angst-bekämpfendes Liedchen an und konnte den massiven Nachteil durch die „Drachenangst“ größtenteils wieder ausgleichen. Sorn gelang es dem Drachreiter einzureden, dass er gefälligst vor den Anwesenden zu kuschen hätte, was dazu führte, dass der Drache kurzerhand wieder das Weite suchte. Aber die anwesenden Dunkelelfenkrieger waren auch kein besonders leichter Gegner. Insbesondere die ständigen vergifteten Nadelstiche forderten (Statistik sei Dank) irgendwann ihre Opfer. Durrak konnte zwar zuerst Xannry, dann sich selbst mit Hilfe von göttlicher Magie Schutz vor der betäubenden Wirkung der Bolzen verschaffen, aber zu viele Jäger sind der Hasen tot und so erwischte es zunächst Imogen, die niemanden in ihrer Nähe hatte, als sie ohnmächtig zu Boden ging und allergrößte Gefahr lief einem feindlichen Gnadenstoß zum Opfer zu fallen. Aber auch Zurgin fiel dem Gift zum Opfer (er hatte Glück und wurde, als er bereits ohnmächtig war, hinter dem Tresen versteckt), aber beinahe auch noch Sorn, der aufgrund seiner Erfahrung mit solchen Hinterhalten extrem vorsichtig agierte und eigentlich kaum in Nahkampferscheinung trat. Der Drachenreiter stellte sich als ein recht ambitionierter Magier heraus, der aber, als die Gruppe langsam aber sicher die Überhand gewann, durch einen beherzten Sprung in die Dunkelheit (die von anderen Drow gelegt worden war) und gleichzeitigem Konsum eines Unsichtbarkeitstrankes die Chance erhielt das Weite zu suchen. Ebenso gelang es zwei der etwa ein Dutzend starken Truppe aus Dunkelelfenkriegern durch Fenster dem Gemetzel zu entkommen. Erst als die verbliebenen Gegner alle besiegt waren und die Gruppe dachte, den Ort gesichert zu haben, tauchten erneut Drow aus dem Keller auf und beschossen die Gefährten mit Giftbolzen. Durrak und Xannry, wie auch Imogen und Yue-Fei stürzten sich waghalsig in Richtung Keller, um auch diese beiden zu erledigen. Allerdings hatten diese die Treppe präpariert und konnten sie, gerade als Durrak und Xannry sie betreten hatten mit Hilfe eines Donnersteins zum Einsturz bringen. Die ebenfalls im Keller wartende Drider bekam ein wunderbares Setup für einen Blitz geliefert, der aber – Entrinnen sei Dank – kaum Schaden bei den Abenteurern anrichtete. Auch wenn die Planung der Drow einigermaßen gründlich gewesen war, waren sie letztendlich der besser ausgerüsteten und erfahreneren Schar Abenteurern nicht gewachsen und schlussendlich wurden auch diese letzten drei Gegner besiegt.
Als endgültig eine erneute Durchsuchung des gesamten Gebäudes anstand, hörte Yue-Fei plötzlich eine bekannte Stimme aus den Tiefen der unteren Ebene, die die Gefährten zum Verbleiben drängte. „Was ist da los gewesen? Habe ich es mit Amateuren zu tun? Hier hätten wir uns treffen sollen?“ Es war niemand anders als Evelyn Despana, die wohl Wind von der gesamten Angelegenheit bekommen hatte und trotz der Gefahr, zusammen mit Oberweltlern gesehen zu werden, gekommen war. Sie wies auch gleich die Gruppe zurecht, die sich anmaßte, ihr zu unterstellen, es wäre Verrat im Spiel gewesen und sie käme als Verdächtigte in Frage. Wenn sie nicht vor Ort gewesen wäre und die Geflüchteten nicht höchstpersönlich ausgelöscht hätte, wäre das komplette Vorhaben in der Tat verraten worden. So besteht noch ein Funken Hoffnung, dass die aktuelle Besetzung doch noch Erfolg haben wird, allerdings übernimmt Evelyn jetzt stärker die Kontrolle. Sie erklärt der Gruppe, dass sie – sofern ihr endlich die Zutaten (Blut von Imogen und einer Ihrer Eltern) übergeben werden, in einigen Tagen das Ritual durchführen können wird. Dieses wird dann jeden, der bis dahin, auch nur homöopathische Dosen von „Green Welcome“ zu sich genommen hat, für einige Minuten bis zu Stunden – ganz genau konnte Evelyn es nicht beziffern – außer Gefecht setzen wird. Es braucht also jemanden, der Haus Despana infiltriert und die komplett Wache sowie so viele wie irgend möglich der restlichen Familie (Adlige und Bedienstete) mit der Droge in Kontakt bringt. Ferner besteht das Haus Despana aus dem Haupthaus in dem sich der Großteil der Familie befindet, als auch einem Turm, den Evelyn noch für ihre Geliebte Anybis (Velifane) errichten ließ, aber im Zuge der Vorbereitungen der feierlichen Eröffnung des Turmes von ihrer Nachfolgerin Shehirae kalt gestellt wurde. Inzwischen dient der Turm vermutlich der Ausbildung von Magiern des Hauses und möglicherweise einem oder zwei mächtigen Magiern als Basis. Ein Eindringen in diesen Turm über einen Raum, der nicht mit einem Dimensional Lock versehen wurde, bzw. das Öffnen der Türe, die zur Terrasse im dritten Stock führt, was aber nur von innen geschehen kann, sind weitere Aufgaben, die Evelyn bei den Abenteurern sieht, sofern diese immer noch Interesse haben, den Kelch der Wiederbelebung zurück zu gewinnen, der ursprünglich aus Xannrys Dorf stammte. Als ultimativen Schachzug für diese Infiltration hat Evelyn noch eine Geheimwaffe anzubieten, die sie ebenfalls in dem Buch gefunden hat, welches die Gruppe vor einiger Zeit aus der „Bibliothek der…“ entwendet hatte. Ein „recorporeal incarnation“ genannter Zauber erlaubt es dem Magier eine Kreatur in einen Leichnam zu versetzen, die dadurch nahezu perfekt als die zuvor tote Kreatur verkleidet erscheint. Einige Fähigkeiten der toten Kreatur gehen dabei auf das besessende Lebewesen über. Sofern sich die derzeitigen Forschungen als richtig herausstellen, gibt es eine Möglichkeit, die ganze Gruppe als Dunkelelfen zu „verkleiden“ und in Haus Despana als Bedienstete einzuschleusen. Von dort aus sollte es ein leichtes sein, die komplette Wachmannschaft mit Green Welcome anzufixen, evtl. gelingt es sogar, den Turm betretbar zu machen. Und sofern das ganze auch noch mit dem Ritual kombinierbar oder zumindest synchronisierbar erfolgt, rechnet sich Evelyn beste Chancen aus, ihren Teil des Deals erfolgreich abzuschließen, was die Wahrscheinlichkeit, den Kelch tatsächlich zurück zu erhalten, enorm erhöhen dürfte.
Man einigt sich darauf, dass dieses Vorgehen am sinnvollsten ist und sammelt die toten Drow ein, um sie baldmöglichst an Ort und Stelle für die Verkleidung der Abenteurer zu mißbrauchen. Für drei der Toten kann Evelyn den wohl nötigen „Gentle Repose“ Zauber beisteuern, um die anderen notwendigen Leichen soll sich die Gruppe selbst kümmern. Durrak meint, „morgen“ könnte er das wohl erledigen, nachdem er heute noch Yue-Fei von ihrem durch Gift erlittenen Stärkeschaden und Xannry von einem Großteil seiner durch stumpfe Gewalteinwirkung erhaltenen Fleischwunden befreit. Imogen entscheidet sich spontan nochmals um und überläßt Evelyn einen Fingernagel ihrer Mutter (statt ihres Vaters) für die Erweckung und handelt aus, dass sie ihren Teil (Tropfen Blut) der Zutaten erst liefern wird, wenn ihre Mutter lebendig in den Reihen der Abenteurer weilt. Evelyn versteht zwar nicht, was Imogen an einer Total-Versagerin, noch dazu Elfe, findet, aber lässt sich dennoch auf die Abmachung ein. Sobald die letzten Vorbereitungen (Evelyn, Anybis: Ritual & Recorporeal Incarnation Sprüche, Gruppe: Passende Leichen, Vorbereitungen und ggf. Timothy Despana gefügig oder getötet) erledigt sind, wird Evelyn mit Anybis in diesem Keller auf die Gruppe treffen und die allerletzten Absprachen abhalten, bevor das Unternehmen „Back into power“ mit der Infiltration von Haus Despana auf dem „Noble Plateau“ beginnt.
Mission „Green Welcome“ beginnt
Durrak stellt sicher, dass neben den drei gut präservierten Drow Leichnamen noch weitere zwei mit Hilfe eines „Gentle Repose“ geschützt wurden, während Sorn sich unmittelbar am gleichen Abend in eine neue Version eines Drow verwandeln ließ. Die Gruppe nahm sich zwei Tage Zeit, um wenigstens die Grundlagen der Dienste zu lernen, die üblicherweise in einem Dunkelelfen Haus von den untersten Angestellten erwartet werden. Außerdem wollten einige noch dafür sorgen, manche verräterischen Gegenstände lieber an einem sicheren Ort zu verstecken, als sie mit in das Haus Despana zu schleppen. Dank inzwischen mehrerer tiefen Taschen und eines Handy Haversacks waren das gar nicht so viele. Zwei Tage später fand das letzte Treffen mit Evelyn Despana und einem Drow namens Giseil Voslil statt, der mit Hilfe einiger Spruchrollen in nur einen knappen Stunde die restlichen Kameraden in Dunkelelfen verwandelte. Dazu verwendete er einen Fokus, welcher den Abenteurern bereits beim Anlegen interessante Fähigkeiten verlieh. Insbesondere Yue-Fei war baff erstaunt, wie es sich anfühlte, plötzlich Magie wirken zu können. Der Rest der Gruppe kannte ja schon den ein oder anderen Zauberspruch, so dass sich die zusätzlich verfügbaren Kräfte nicht ungewohnt anfühlten. Interessanter war da schon die plötzlich ebenfalls mögliche Dunkelsicht, von der nur Durrak relativ unbeeindruckt blieb. So begann Giseil dann auch mit Xannry, den die Verwandlung in einen Dunkelelfen etwas überraschte. Als seine Haut anfing, eine zweite, dunkle Haut überzuziehen und ihm klar wurde, dass er sich komplett verändern würde, hatte er sogar ein bisschen Angst. Imogen und Yue-Fei erging es nicht viel anders, sie hatten sich zuvor auch dafür ausgesprochen, weiblich bleiben zu dürfen und ließen die Verwandlung stoisch über sich ergehen. Für Zurgin war es eine drastischere Veränderung, er wuchs plötzlich auf mehr als die doppelte Körpergröße an und musste nach der unangenehmen Hautveränderung auch zunächst sämtliche Körperresonanzen neu kalibrieren.
Durrak, dessen bisherige Veränderungen (weder Magiebefähigung noch Dunkelsicht waren neu für ihn) sich kaum bemerkbar machten, fing auch am längsten mit der Entscheidung schwanger, ob es denn überhaupt eine gute Idee wäre, die ganze Gruppe auf eine möglicherweise kaum erfüllbare Mission zu schicken. Aber nachdem ihm klar wurde, dass er allein auch nicht dafür sorgen würde, den Krieg zu beenden und er die unglaublich gut wirkenden „Verkleidungen“ der anderen betrachtete, fasste er sich ein Herz und ließ den Spruch auf sich zaubern. Ein beklemmendes Gefühl, plötzlich längere Beine, einen schmaleren Körper und lange Ohren zu bekommen. Wären da nicht die anderen, mit denen er bisher schon so viel erreicht hatte, wild entschlossen, diese Mission zu erfüllen, hätte er spätestens beim Blick in einen Spiegel und dem Erblicken der ELFENOHREN einen Rückzieher gemacht. Aber er hatte sich auf die Sache eingelassen und er wusste ja, dass die Gruppe ohne ihn keine Chance haben würde, falls es zu einem größeren Kampf kommen sollte. Also schloss er sich an.
Nachdem Giseil von Evelyn verabschiedet worden war, tauchte wenig später ein weiterer Drow auf, der sich als Gadak vorstellte. Sorn hatte die Gelegenheit, seinen ersten Eindruck von Gadak, den eines kompetenten Drow von der Straße, der aber mit vielen Häusern in geschäftsmäßigem Kontakt steht, noch an die Kameraden zu kommunizieren, dann ging es auch schon los. Gadak führte die Gruppe durch die Stadtviertel auf kürzestem Weg zur Brücke nach Norden, hinter der ein Weg auf das für Oberweltler komplett gesperrte Gebiet des sogenannten „Adligen-Plateaus“ führte. Am Tor brauchte er keine 5 Minuten, um die Formalitäten zu erledigen und die Gruppe hindurch zu geleiten. Als sie den Weg ein Stück gelaufen waren, ragte auf der rechten Seite hoch die massive Burg des Hauses Tormtor auf, aber Gadak bedeutete den neuen Dunkelelfen, ihren Blick auf der Straße zu belassen. Ebenso verhielt es sich, als links das Haus Aleval in den Blick geriet. Erst am Haus Despana, bog er vom Weg ab und erreichte nach kurzem Verzögern, den Eingang.
Scheinbar aus dem dunklen Stein dieses nächtlichen Abgrunds gewachsen, erhob sich vor den Augen der Gruppe ein unheimlicher Palast von unnatürlicher Schönheit und tödlicher Anmut. Spitzen aus netzartigem Metall schienen die Dunkelheit zu durchschneiden. Ihre Höhen wurden von arkanen Flammen erleuchtet, während die eleganten Kurven der Wände des Bauwerks im tanzenden Schatten zu flackern und sich zu verschieben schienen. Um das Gelände herum glitten die kaum wahrnehmbaren Silhouetten dunkler, gepanzerter Formen auf lautlosen Patrouillen über eine bogenförmige Barrikade aus Stahlklingen. Plötzlich ertönte aus dem Inneren ein unheimlicher Schrei: halb Schrei, halb bestialisches Heulen, das langsam widerhallte und in der Dunkelheit erstarb. Einen Augenblick später folgte die Antwort auf das schreckliche Geräusch, ein flatterndes Gelächter, das weder Freude noch Spott enthielt.
Derart begrüßt, stellte sich kurz eine etwas demütige und vorsichtige Stimmung ein, die zunächst auch nicht besser wurde, als Gadak höchst unterwürfig um Einlass bat. Dieser wurde ihm nach dem Schwenken seines Siegelrings zwar unmittelbar gewährt, aber schien dennoch nicht selbstverständlich. So musste die Gruppe dann auch noch einige Minuten im Foyer unter den wachsamen Augen von Drow Kriegern abwarten, bis Gadak sie angemeldet hatte. Endlich durfte er sie durch einen langen, geschwungenen Gang in ein Zimmer führen, was wohl schon desöfteren für Verhöre benutzt worden war. Die Drow, die einige Fragen an die Gruppe hatte, stellte sich als Slavemother Undamesta vor.
… Interview …
… Eingewöhnen …
… Erste Dienste …
… Erste Erkenntnisse …
… Erste Hilfsmittel …
Nach 10 Tagen schafft es Sorn, inzwischen genannt Soron, durch ständiges Intrigieren und „andere für sich arbeiten zu lassen“, in den Rang eines besseren Bediensteten befördert zu werden, dem auch verantwortungsvollere Aufgaben zugetraut werden. Als es auch Yue-Fei, die sich seit der Verwandlung allerdings Fei-yuh nennt, in diesen Rang geschafft hatte, kam Undamesta plötzlich mit einem Auftrag auf die Gruppe zu, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Zusammen mit zwei Drow Kriegern sollten sie drei entflohene Drider zur Strecke bringen und deren Köpfe als Beweis zurück bringen. Nachdem sich die Überraschung gelegt hatte erklärten sich die Recken einverstanden, nicht aber ohne sich einen Hauch Misstrauen gegenüber der Auftraggeberin und natürlich den „zugewiesenen“ Begleitern zu bewahren. Etwa eine Stunde außerhalb der Stadtgrenzen, in einem Labyrinth von unterirdischen Gängen, spürten sie die entflohenen Kreaturen auf und hatten mit ihnen auch dank der neu erworbenen Zauberspruchresistenz, die sie durch den Dunkelelfenkörper erlangt hatten keinerlei Probleme. Die äußerst erfolgreiche Mission hatte sogar fast komplett ohne die sonst so hilfreichen Zaubersprüche von Durrak, Xannry und Zurgin erledigt werden können, so dass die Gefahr, ihre wahre Identität verraten zu haben, nahezu ausgeschlossen werden konnte. Sie durften sich bei Rückkehr sogar über eine weitreichende Beförderung fast aller Gruppenmitglieder in den höheren Rang freuen. Die neuen Aufgaben würden sie sicherlich auch zu neuen Erkenntnissen und weiteren Hilfsmitteln für ihren eigentlichen Auftrag führen. Und das war auch nötig, denn Evelyn Despana war bestimmt sehr geduldig, aber sicherlich nicht endlos und da war ja noch ein Kelch…
(… Kontakt mit Evelyn über die konkreten Pläne …)
(… Vorbereitungen, in den Turm zu gelangen… )
(… Alicavniss lädt die Gruppe ein, schickt sie auf eine Mission gegen einen Banditen-Führer in Erelhei-Cinlu …)
(… direkt nach Rückkehr startet die Gruppe die ‚green welcome‘ Vergiftung und gibt Evelyn das Signal für das RItual …)
( … die Gruppe wird zu Alicavniss gerufen und die Ereignisse nehmen ihren Lauf …)
( … großer Showdown mit Evelyn, Anybis, Shehirae und Ailcavniss, die zu folgender Schlusszene führt …)
Der Kelch verschwindet
Xannry traute seinen Augen nicht, als er durch die sich langsam lichtenden Rauchschwaden des „Incinerate“ Spruches die Gestalt von Shehi’rae auf das Ebenentor zufallen sah. Sie war die letzte, die den Kelch, um den es sich die ganze Zeit gedreht hatte, in Händen gehalten hatte und im Moment sah es danach aus, als ob sie ihn mit auf die Ebene nehmen sollte, die Evelyn Despana für ihre Kontrahentin ausgesucht hatte. Sicherlich kein Ort, den man gerne besucht. Daher bestand für ihn, als er einen kurzen Blick auf etwas glänzendes unter ihrem Umhang erblickte, kein Zweifel mehr, dass er einen verzweifelten Rettungsversuch unternehmen musste. Mit seinen flinken Händen knotete er das Seil, was er immer griffbereit über seiner Schulter lag, um seine Hüfte fest, warf das lose Ende in Richtung Durrak, rief „Zieh mich zurück, wenn ich zwei mal kurz am Seil zupfe!“ und lief mit raschen Schritten auf den Teil des Raumes zu, den Anybis in eine Zone der umgekehrten Schwerkraft verwandelt hatte und damit die vorübergehende Herrscherin des Hauses Depana völlig überrascht hatte, so dass der Plan der Rückeroberung aufzugehen schien. Ein beherzter Sprung genügte und auch Xannry begann in Richtung des Tores zu fallen. Durrak griff das Seilende und begann, ein zweites Seil daran zu befestigen, da er nicht abschätzen konnte, wie weit Xannry auf die andere Ebene hineingezogen werden würde und er ihm die bestmögliche Chance auf ein Erreichen seines Zieles ermöglichen wollte. Die anderen starrten gebannt auf die Szene, die sich da entwickelte und bekamen gar nicht mit, dass sich Evelyn auf den Thron im Raum zurückzog, um sich von den Anspannungen und Strapazen der vergangenen Minuten zu erholen. Als Xannry nur wenige Sekunden nach Shehi’rae die Reise in die andere Ebene antrat, stockte ihm der Atem. Er hätte mit vielem gerechnet, aber nicht mit der abgrundtiefschwarzen Kälte, die ihn empfing und sofort begann, seine Lebensenergie zu vernichten. Er konnte trotz eines instinktiv ausgeführten Licht-Zaubers nicht einmal seine eigene Hand vor Augen sehen, geschweige denn einen Blick auf die Ex-Matrone erheischen. Ihm wurde schlagartig klar, dass dies keine Ebene war, die man besucht ohne gründlich und vor allem magisch darauf vorbereitet zu sein. Er war keines von beiden. Schlimmer noch: als er nach dem Seil greifen wollte, um Durrak das Signal zum Abbruch der Rettungsaktion zu geben, spürte er bereits, dass die negative Energie so sehr an seinen Fähigkeiten fraß, dass er in Kürze vergessen würde, wie man eine Waffe führt und schließlich sogar, wie zu atmen funktioniert. Die eisige Kälte kroch bereits in seinen Knochen herum und würde ihn in kürzester Zeit ins Reich der Toten befördern. Sein letzter Gedanke war ein Ruf nach Rettung durch den Kelch, der vor seinen Augen in der Dunkelheit verschwunden war.
Durrak spürte die beiden kurzen Zeichen am Seil bereits kurz nachdem Xannry in dem Portal verschwunden war und zögerte einen winzigen Moment, bevor er versuchte, das Seil zurückzuziehen, erst sanft, als es sich aber nicht bewegte, mit größerer Vehemmenz. Ohne Erfolg, das Ebenentor war von den beiden Drow-Frauen offenbar als Einbahnstraße konzipiert worden und ließ nichts zurück auf die materielle Ebene. Durrak wurde klar, dass Xannry nun nichts in seiner Macht stehende helfen konnte. Er war verloren.
Der Geruch verbrannten Fleisches und schwelender Magie hängt noch in der stickigen Luft. Hoch über dem zerborstenen Boden flackert das fahle Leuchten der Reste eines Portals, das soeben die Verräterin und Xannry in die Ebene der Negativen Energie gerissen hat – ein schwarzer Riss, der nur langsam im Nichts vernarbt. Die Halle ist erfüllt von der Stille nach dem –erstaunlich blutarmen – Blutbad. Schatten wogen an den hoch aufragenden Säulen, als sei die Finsternis selbst aufmerksam geworden. Auf dem eindrucksvollen Thron sitzt Matrone Evelyn Despana, kraftvoll, doch noch unverkennbar gezeichnet vom magisch-physischem Ringen, dem ihr beigewohnt habt. Ihr Kopf ist erhoben, ihr Blick scharf – die rotvioletten Augen mustern euch wie Messer, die noch entscheiden wollen, ob sie schneiden oder schützen. Das lange, silbrig-weiße Haar liegt leicht wirr über einer Schulter, und ihre roten Augen scheinen tief in jede einzelne Seele hier zu blicken.
Neben ihr steht Anybis in dunkelgrün schimmernden Roben, eine Hand leicht auf der Lehne des Thrones. Ihre Miene scheint fast ein wenig abwesend, doch ihre Finger kreisen konzentriert um einen kleinen, violett schimmernden Obsidianfokus, während sie mit wissenden Augen umherblickt.
Evelyn lehnt sich leicht im Stuhl zurück, der Seidenschatten ihres Gewandes fließt über die Lehnen, und in ihren Zügen liegt eine Spur von Müdigkeit. Doch in ihren Augen funkelt noch immer Berechnung und – ganz leise – ein Hauch von Mitgefühl. Sie sitzt halb im Licht, halb im Schatten, ihre Haltung ist gerade, aber nicht starr, ihre Augen fixieren euch mit präziser Schärfe.
„Ihr habt… überlebt. Nur Wenige können von sich behaupten, mir in einem Moment zu Diensten gewesen zu sein, in dem mein eigenes Blut fast den Boden tränkte. Und obwohl ihr… Sklaven seid…“ (sie legt eine fast amüsierte Betonung auf das Wort)
„…seid ihr keine gewöhnlichen. Ihr habt euch heute als enorm nützlich erwiesen – und was man einmal erkannt hat, kann man nicht ungesehen machen. Das gibt euch… Möglichkeiten. Und mir – vielleicht nützliche Hände?
Heute, meine… Freunde, habt ihr viel mehr gesehen, als selbst Angehörige eines Drow-Hauses jemals zu Gesicht bekommen. Ihr habt meine Kontrahentin fallen sehen – und ihr habt gesehen, wie mich dieser Sieg Kraft gekostet hat.. Ihr kennt nun den Preis, den wir Drow zahlen oder zurückzahlen, wenn wir der falschen Hand trauen oder eben, wie hier, verraten wurden.
Meine Kontrahentin, die einstige Sklavin, Shehirae, ist nun dort, wo selbst die kühnsten Gebete nur verhallen. Das war nötig. Doch es hat mich einen Teil der Stärke gekostet, die ich jetzt… dringender bräuchte als jemals zuvor. Auch Euer Begleiter Xannry hat diese unerfreuliche Reise angetreten, es tut mir fast ein wenig … leid, dass der Kelch (und natürlich Xannry) nicht einfach hier geblieben sind, aber diesen Verlust (Xannry) werde ich im Angesicht meiner Thronrückeroberung sicher verschmerzen können.
Ich stehe nun also wieder in meinen Hallen… und doch betrete ich sie durch einen Sturm, den andere angefacht haben. Manche meiner früheren Gesichter gehören mir wohl noch, andere… blicken womöglich längst anderswohin.
Als Fremde in dunkler Haut habt ihr derzeit einen Luxus, der mir fehlt: Ihr schuldet hier niemandem Treue. Eure Ketten sind nur Schmuck – und manchmal ist Schmuck gefährlicher als Eisen. Doch für mich… seid ihr gerade deshalb immer noch von Wert.
Euer Blut trägt keine alten Schulden, eure Schatten keine bekannten Messer. Das macht euch nützlich – und in eurer Nützlichkeit… sicher genug, um mein Haus zu beobachten und zu berichten, ohne selbst in diesem Netz zu hängen.
Es gibt Dinge, die getan werden müssen. Blicke, die gesehen, Stimmen, die gehört und Flüstern, was bemerkt werden muss – von jemandem, dem keine Fäden im Dunkeln um den Hals liegen.
Ihr, meine verkleideten Sklav… eh, Freunde… Ihr lebt zur Zeit in bemerkenswerter, wenngleich eigenartiger Freiheit: keine Bande der Blutslinie, keine alten Schulden, keine Schlingen, die euch im Stillen würgen. Das macht euch… wertvoller, als ihr vielleicht selbst begreift.
Ich brauche nämlich Augen, die frei sehen. Ohren, die nicht vom Zischen alter Feinde verstopft sind. Schritte, die leise zwischen die Schatten treten und mir sagen, wer im Dunkeln nach meiner Kehle greift.
Tut noch ein paar Dinge für mich – für jetzt, für eine Weile – und ich werde euch mein Wort geben: Wenn ein Tor zum Ort eures verlorenen Gefährten zu finden ist, werde ich es mit euch suchen. Euer Gefährte Xannry ist nicht jenseits aller Wege. Manche Tore…“
Sie hält inne, und ihr Blick gleitet für den Bruchteil eines Augenblicks zur Seite – zu Anybis, die fast unmerklich den Kopf neigt. Ein Hauch Wärme dringt in Evelyns Tonfall, wie ein Sonnenstrahl, der sich kurz durch Wolken brennt, und verzieht sich ebenso schnell.
„…manche Tore können geöffnet werden – von den richtigen Händen, unter den richtigen Umständen.
Helft mir, hier in Erelhei-Cinlu, bis mein Griff wieder fest um diese Mauern liegt… und ich werde euch etwas geben, das selbst hier selten ist: eine Hoffnung auf Rückkehr.
Ich kenne nämlich Wesen, die Schlüssel besitzen, von denen andere nicht einmal zu träumen wagen. Ohne mich… wird kein Weg für Xannry gefunden werden. Mit mir… gibt es eine sehr aussichtsreiche Möglichkeit.
Also: Lasst uns füreinander von Nutzen sein – bis unsere Wege wieder auseinandergehen.
Ich brauche offene Augen, die sehen, ohne schon gefärbt zu sein. Und ich brauche diese nicht nur hier.
Denn Gerüchte sind mir zu Ohren gekommen – Geflüster, das aus der Stadt da unten stammt. Es weht ein seltsamer Wind durch die Straßen von Erelhei-Cinlu… Man hört ihn in den Tavernen flüstern, auf den Märkten murmeln – Geschichten von einem Drachen aus der Finsternis, so mächtig, dass er schon bald über die Oberflächenreiche hinwegfegen und sie in Schutt und Asche legen wird.
Ihr wisst so gut wie ich: Solche Erzählungen wachsen nicht von selbst. Sie werden… gesät. Pflegeleicht gegossen mit Angst und falscher Hoffnung, bis sie zu einem Glauben werden, der ein Volk zu den Waffen ruft. Der oberflächliche Geist mag nicht zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden, wenn ihm Ruhm und Blutrausch versprochen werden.
Wer genügend Zungen füttern kann, lenkt den Hass – und den Krieg – dorthin, wo es ihm dient. Ich vermute… manche Finger, die diesen Faden spinnen, gehören zu Haus Vae. Aber ein Verdacht ist nur so viel wert wie die Beweise, die ihn stützen… und die werden sich nicht von allein in meine Hand legen.
Darum seid ihr hier. Sklaven, ja – aber mit Augen, die befähigt sind zu sehen, was die meinen nicht sehen sollen und womöglich auch nicht sehen werden. Ihr aber, findet für mich heraus, woher dieses Gift fließt. Denn wer den Ursprung kennt, kann den Lauf des Flusses ändern – oder ihn gänzlich versiegen lassen.
Findet heraus, wer diese Worte in den Straßen nährt. Folgt dem Flüstern, und bringt mir, was ihr findet – Namen, Absichten, und ob in diesen Lügen vielleicht sogar ein Körnchen Wahrheit gärt und wenn ja, wie groß es ist.
Helft mir, Licht – oder besser: Schatten – auf diese Sache zu werfen, bis mein Griff um meine Mauern und meine Feinde wieder fester ist… und ich werde euch etwas geben, was nur selten jemand hier verspricht: eine Hoffnung auf Rückkehr für Xannry.
Ohne mich… und jenen, denen ich vertraue… wird dieser Weg niemals erscheinen. Mit mir… ist er schwer und gefährlich – aber möglich.
Also, meine Freunde: Geht für mich hinunter in die Stadt. Sucht das Herz dieser Worte. Bringt mir, was ihr findet – und wir werden sehen, ob wir gemeinsam das Unmögliche möglich machen können.“
Ein schwaches Lächeln huscht über ihre Lippen – zu warm, um ehrlich zu sein, und zu flüchtig, um harmlos zu wirken. Sie richtet sich zu voller Größe auf. Ihr Blick gleitet langsam, prüfend, über jeden in der Gruppe. Sie spricht etwas leiser, aber mit einer Stimme, die selbst im Flüsterton noch Befehlsgewalt trägt.
„Das ist alles, was ihr wissen müsst… fürs Erste. Die Straßen von Erelhei-Cinlu sind ein Netz, und in den Fäden hängt etwas, das größer ist als nur ein Flüstern – größer als ein Märchen, um Kinder in die Dunkelheit zu locken.
Wer mich enttäuschen will… der bleibt jetzt hier und fragt nach dem Weg. Wer mir nützlich sein will… der geht jetzt und findet heraus, wer seine Zunge in die Köpfe unserer Leute gelegt hat.
Aber vielleicht…“
(sie lässt den Blick noch einmal über die Gruppe wandern, als wolle sie genau erkennen, wer zögert)
„…habt ihr noch Fragen, bevor ihr in dieses Spiel einsteigt?
Denn glaubt mir: Wenn die Figuren auf dem Spielbrett erst einmal ziehen… ist es zu spät, um zu fragen, wer sie bewegt.“
Mit diesem letzten Satz legt Evelyn ihren Ebenholzstab leicht an die Seite, lehnt ihn an ihren Thron und verschränkt die Hände locker hinter dem Rücken – eine Geste, die klar signalisiert, dass das Gespräch jetzt. Ihr Ausdruck verrät keine Eile, aber in der Luft liegt das Gefühl, dass jede Sekunde Untätigkeit wertvolle Beute entkommen lässt.
Natürlich hatten die Abenteurer tausend Fragen. Was war mit Xannry passiert? Sollten sie wirklich auf das Versprechen eingehen? War es nicht schon genug Hilfe gewesen, die Evelyn von ihnen erhalten hatte? Und die einzige Belohnung – sofern man es überhaupt Belohnung nennen konnte – war die simple Tatsche, dass sie bisher, von Evelyn nicht getötet worden waren, obwohl sie dazu jederzeit in der Lage gewesen wäre. Weil ein Krieg an der Oberfläche vermutlich immer schwelte und die Gerüchte eines Drachen aus der Unterwelt, der über die Oberfläche hinwegfegt, wenn sie wahr würden, diesen Krieg noch viel grausamer machen würden, waren die Pläne der Gefährten denen der Matrone gar nicht so unähnlich und sie begannen, eine weitere Zusammenarbeit mit Evelyn ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
Zurgin war der erste, der eine Frage stellte. „Wie lange wird uns unsere Verkleidung noch schützen? Und was sollen wir machen, wenn wir nicht mehr als Dunkelelfen erscheinen, wie sollen wir da zum Haus Despana zurückkehren?“ Evelyn lächelte kalt: „Die Verkleidung wird Euch noch eine Weile erhalten bleiben, aber sollte sie tatsächlich verschwinden, dann kehrt besser gar nicht zurück – und natürlich ohne meinen Namen zu rufen, sonst erklärt ihr Euch öffentlich zu meinen Feinden, ich habe grundsätzlich keine Versager in meinen Reihen.“ „Warum sollen wir uns an Haus Vae wenden bei unseren Nachforschugnen?“ Ein kaum merkliches Lächeln kräuselt ihre Lippen:
„Weil ich ihre Art zu spinnen erkenne. Sanftes Gift, das sich in ein Lied verwandelt. Haus Vae träumt schon lange davon, die Oberfläche in Blut zu tauchen – aber Träume allein gewinnen keinen Krieg. Dazu müssen Wellen geschlagen werden. Und die Wellen schlagen nun.“ Sorn, der immer nach Gelegenheiten sucht, den kleinen Vorteil gegenüber anderen Drow in Erelhei-Cinlu oder anderen Gegenden zu erringen, wagte es, nach Hilfsmitteln, die die Chance auf Erfolg bei der anstehenden Mission sicherzustellen vermögen könnten, zu fragen und betonte dabei, dass ja gerade ein besonders (gold)wertvolles Gruppenmitglied unter tragischen Umständen die Gruppe verlassen musste. Evelyn zieht eine Augenbraue hoch, als würde sie von diesem Ansinnen amüsiert werden: „Es gibt keinen Grund, unnötige Resourcen zu verschwenden. Wenn ihr mich überzeugen könnt, dass euer Auftrag ohne solche Gegenstände scheitert – werde ich euch geben, was nötig ist. Aber vergesst nicht: Was von mir kommt, gehört mir. Auf begrenzte Zeit nur… euch. Gunst ist die Währung, mit der wir hier herrschen. Aber wenn ihr Zahlen auf Pergament braucht: Gold, Einfluss, Schutz vor Feinden. Dinge, die für euch… langweilige Oberirdische möglicherweise wertvoller erscheinen als ein Lächeln von mir. Merkt Euch folgendes: Was ihr in meinem Namen an euch nehmt, bleibt in meinem Namen. Doch ich kann… auch großzügig sein. Bringt Beweise und Informationen unversehrt zu mir – und ich werde nicht zählen, wie viele Münzen sich zufällig in eure Taschen verirrt haben.“
Mit diesen Informationen ausgestattet verließen die Abenteurer die Räumlichkeiten der Hausmagier und kehrten für den Moment zu Undamesta zurück, die sie lange nicht gesehen hatten. Die Neuigkeit, dass Shehirae ihren Thron wieder an Evelyn zurückgeben musste, kommentierte die Sklavenmanagerin trocken: „Damit kann ich umgehen.“ Und so war es dann auch. Am nächsten Morgen erhielten die Abenteurer – wie mit Evelyn vereinbart – besondere Rechte und durften sich die Aufgaben, die ihnen zuteil werden sollten, im Großen und Ganzen selbst aussuchen. Natürlich nutzten sie das entsprechend und streuten allerhand Gerüchte, die – ganz in der Manier von Drow – dafür sorgten, dass die Spuren der vorigen Nacht ungesehen gemacht oder wenigstens anderen in die Schuhe geschoben wurden. Sorn verteilte einige Kartenspiele in Vorbereitung eines groß angelegten Glückspielrings. Zurgin stellte sicher, dass keine Spuren von Green Welcome in den Speisen und Getränken des Hauses auf die tatsächlichen Verursacher zurückzuführen waren und begann, ein Gegengift zu entwickeln, das den immer noch betroffenen Drow des Hauses ihre Sinne und Fitness zurück geben würde. Durrak und Imogen lenkten sich mit Gesprächen über die „gute alte Zeit“ ein wenig von den Ereignissen der letzten Tage ab, die eine gehörige Portion Reflektions-vermögen von jedem einzelnen abverlangt hatten. Yue-Fei, die in allen erlebten Intrigen der Drow schmerzlich an ihre Kindheit und den damaligen Verrat am Kloster erinnert wurde, zog sich etwas zurück und meditierte viel.
Nachdem die Wogen sich ein wenig gelegt hatten, die Situation ruhiger, wenngleich immer noch instabil, geworden war, begannen die Abenteurer die Mission „woher stammen die Gerüchte über den Drachen?“ …
Flüsterkreise
Der Dunst von Erelhei-Cinlu hing bleischwer in der Luft, gesättigt vom Geruch verbrannten Pilzöls und dem warnenden Zittern der Spinnenglocken an den Mauern.
Unweit des Tores zu den Adelshäusern – jenem schwarzen Bogen aus poliertem Obsidian, in dem selbst das Licht der phosphoreszierenden Kristalle zu vergehen schien – drängten sich Drow wie Strömung um einen Felsen. Stimmen vermischten sich zu einem dumpfen Gemurmel, doch Zurgin, der Barde, hörte es sofort: das wiederkehrende Muster einer Geschichte, eines Gleichnisses, das wie ein giftiges Insekt von Ohr zu Ohr kroch. Er folgte dem Geräusch wie einer Melodie, die sich in den Gassen verfing. Ein kleiner Platz öffnete sich, und dort stand er: ein magerer Mann, in den Schatten eines schiefen Pfeilers gehüllt, die Stimme voll dunkler Bilder. Er sprach vom Kommen eines Schattens aus Schuppen und Zähnen, vom Atem, der die Oberwelt verschlingen würde. Um ihn hatte sich ein kleiner Kreis Zuhörer gebildet – Augen, die leuchteten, als hätten sie Feuer geschluckt.
Zurgin trat näher. Sein Lächeln war höflich, sein Tonfall beinahe schmeichelnd, doch seine Fragen waren präzise, geschärft wie Klingen aus Mithril.
„Und… wer hat dir diese Geschichte anvertraut?“ Der Erzähler wich zurück, seine Finger nestelten an der Kante seines Ärmels, als könnte er etwas verbergen. „Ich… habe sie gehört. Nur gehört. In einer Schenke. Nicht mehr als das.“ Zurgin trat einen Schritt näher, doch der Mann riss plötzlich den Blick los. Er zögerte nur einen einzigen Herzschlag, als Zurgin ihn ansprach – und dann riss er den Blick los, stieß einen Passanten beiseite und schoss zwischen zwei bröckelnden Pfeilern davon.
Imogen war schon unterwegs – nicht in direkter Verfolgung, sondern seitlich ausschwenkend. Sie verließ den Platz an einer schmalen Maueröffnung, bog in eine enge Nebengasse, die in einem weiten Bogen um den Block führte. Ihr Plan war klar: den Mann abfangen, bevor er den Hauptmarkt erreichen konnte. Durrak stürmte dagegen frontal hinterher. Sein Körper prallte an Kisten und vorbei hastenden Gestalten, Pilzkörbe kippten scheppernd zu Boden, und das trockene Knirschen unter seinen Stiefeln kündigte ihn an wie ein nahender Erdrutsch. Der Flüchtige hetzte durch ein Netz aus Gassen und Treppen, zog kurz einen Blick über die Schulter – und glaubte, seine Verfolger甄 verloren zu haben. An der nächsten Ecke wollte er scharf nach links zum offenen Durchgang sprinten…
Doch mitten im Lauf blitzte vor ihm plötzlich eine Silhouette in voller Gestalt auf – als hätte sie sich aus der Luft geformt. Darron.
Der Magier hatte unsichtbar im Schatten einer Mauernische gewartet, die Lippen stumm bewegend, während der Rest der Jagd wie fernes Donnern an ihm vorbeigezogen war. Im perfekten Moment löste er den Zauber – oder vielmehr: der Zauber wurde gelöst, als sein Fuß ruckartig nach vorn schnellte. Die Magie riss wie hauchdünnes Glas entzwei, und vor den entsetzten Augen des Flüchtenden wuchs aus dem Nichts eine Gestalt – das breite Grinsen eines Jägers, genau in dem Moment, bevor die Falle zuschnappte. Einen Wimpernschlag später war Imogen aus einer Seitengasse bei ihm, ging in die Hocke und presste den Griff ihres Dolches an seine Schulter, während Durrak von der anderen Seite herannahte und sich breit vor den Ausgang der Gasse stellte. Sein Schatten füllte die Gasse mit etwas, das mehr war als nur Körpergröße – es war die drohende Gewissheit, dass dieser Weg nur in Antworten oder in Schmerzen enden würde.
Für einen flüchtigen Moment, als der Gestellte vergeblich versuchte, sich aufzustützen, blitzte unter seinem hochgerutschten Ärmel Metall auf. Silber, schlicht, ein vertrautes Muster im schwachen Licht der phosphoreszierenden Pilze – verschluckt, als er die Hand schnell zur Faust ballte. „Ende der Flucht,“ grollte Durrak. Der Atem des Mannes ging flach und hastig, während oben, über den schwarzen Häuserdächern, die gedämpften Stimmen des Viertels weiter das Flüstern trugen.
„Wer hat dich geschickt?“ Die Stimme des Zwerges war tief, ungeduldig. Der Mann lachte nervös und schüttelte den Kopf. „Niemand. Ich… ich habe nur zugehört. Eine Schenke, irgendwo in der Unterstadt. Jemand erzählte es, ich merkte es mir. Mehr nicht.“ Seine Augen zuckten nervös zwischen den verhüllten Gesichtern. Lieber riskierte er, als Lügner zu gelten, als den Namen seines Auftraggebers preiszugeben. Die Gasse roch nach feuchtem Stein und altem Blut. Aus der Ferne drang das gedämpfte Raunen einer anderen Menge herüber, als würden die Gerüchte, mit denen dieser Mann gefüttert worden war, schon weiter getragen.
Imogen ließ den Mann nicht aus den Augen, während ihre Hände routiniert über seine Kleidung glitten. Sie prüfte Mantel und Stiefelschäfte, tastete nach versteckten Klingen – und blieb schließlich bei einem kleinen, ledernen Beutel hängen, den er hastig vor ihrer Handbewegung verbergen wollte. Mit einem kaum merklichen Zug holte sie ihn ans Licht. Das matte Feuer mehrerer kleiner Rubine glomm darin auf – rote Tränen, eingefangen und geschliffen, jeder Stein ein Vermögen für einen aus dem Gesindelviertel. „Woher hast Du die?“ fauchte sie ihn an, doch der Mann schwieg zunächst, dann gab er zu, die Rubine von Haus Tormtor erhalten zu haben, um sie zu Haus Vae zu bringen. Sein Leben hinge davon ab, diesen Auftrag zu erfüllen.
Zurgin war inzwischen zu ihnen gestoßen. Sein Blick glitt von den funkelnden Steinen zu den nervös zuckenden Augen des Gefangenen. Mit einer fließenden Bewegung ließ der Barde ein einzelnes Juwel zwischen seinen Fingern tanzen – eine stumme Andeutung, die nur eines versprach: Mehr davon, wenn die Zunge des Mannes sich löste. „Dein Gedächtnis“, begann Zurgin mit honigsüßer Stimme, „mag schwach sein… aber Edelsteine haben oft eine Art, Erinnerungen zu schärfen.“ Der Erzähler schluckte, und seine Finger öffneten und schlossen sich, als wollte er schon nach dem roten Glanz greifen. „Vielleicht… vielleicht in der Taverne ‘Zum verrenkten Netz’. Dort sprach jemand laut – zu laut für das, was er sagen wollte. Ich… nahm nur die Worte mit. Name? Nein… nur, dass er einen Mantel trug, der besser zu den Häusern da oben passt als zu den Straßen hier unten.“
Lügen oder Wahrheit? Schwer zu sagen. Doch der Drang, ihn weiter auszupressen, verflüchtigte sich, als Darron sich ins Gespräch einbrachte. Sein breiter Schatten verdrängte das fahle Leuchten des Biolumineszenz-Pilzes über ihm. Alles an seiner Haltung sprach von Ungeduld und Dringlichkeit – und von etwas Neuem, das sofortige Aufmerksamkeit verlangte. Imogen und Zurgin tauschten einen Blick. Ein kurzes Nicken, und ihre Hände lösten den Griff vom Kragen des Mannes. Dieser verharrte einen Augenblick, als könne er nicht glauben, dass er frei sein sollte – dann schlüpfte er davon, ein grauer Schatten, der sich in der Menge verlor.
Doch die Rubine… und der Silberring, den er zu verbergen suchte… blieben in ihren Gedanken wie Spinnenfäden, die unsichtbar an etwas Größerem befestigt waren.
Etwas, das sich noch zeigen würde.
Gruppe begibt sich anschließend zu der Kaserne von Despana, um den Waffenlageristen zu interviewen. Dabei kommen sie ihm auf die Schliche und schlagen ihn in die Flucht. Sorn und Imogen verfolgen ihn bis ins Ghetto of Foreigners, dann versteckt er sich in einem Inn, wird aber von Imogen/Sorn gestellt und festgesetzt.

Einiges an fehlendem Text …
Haus Despana will … (k)einen Krieg
Die schweren Flügeltüren der Halle öffnen sich lautlos, fast zu lautlos – der gewaltige obsidianfarbene Torbogen rahmt einen Raum, der wie in eine andere Welt gehört. Schwarzer, spiegelglatter Stein breitet sich vor den Augen der Abenteurer aus, unterbrochen von feinen Linien aus glänzendem Silber, die sich zu geometrischen Mustern verweben – wie ein stilles, unvollendetes Netz. Hohe Fackeln an den dunklen Wänden brennen mit Flammen, die ein schwaches, unnatürliches Licht werfen. Schatten zerren an den Konturen des Raumes, machen ihn einen Herzschlag lang größer, dann enger.
Auf einem erhöhten Podest sitzt Matrone Evelyn Despana, ihr langer, tiefroter Seidenstoff fällt in präzisen Wellen über die Stufen, Goldfäden glimmern in unruhigem Licht. Ihr Gesicht trägt keine offene Emotion – nur Ruhe, die sich wie ein straffer Seidenschleier über ihre Gedanken legt. Zu Evelyns Rechter sitzt Anybis – schlank, doch in ihrer Ausstrahlung alles andere als harmlos. Das lange, silberweiße Haar fällt wie flüssiger Spiegel über ihre Schultern, bricht das Licht in kühlen, scharfen Reflexen. Ihre dunkle Robe ist glatt und schlicht, doch die Art, wie sie sitzt, verrät eine sichere, unbeirrbare Selbstgewissheit. Auf ihren Lippen liegt ein kaum wahrnehmbares Lächeln – zu schmal, um offen zu sein, zu kontrolliert, um freundlich zu wirken. Es ist das Lächeln einer Beobachterin: aufmerksam, wachsam… wartend.
Zwischen den geladenen Sklaven und dem Podest stehen auf jeder Seite vier schwer bewaffnete Drow-Wachen in makelloser Formation. Keiner von ihnen regt sich, kein Blick flackert. Die gekrümmten Klingen an ihren Hüften und die Armbrüste über ihren Schultern sind keine Dekoration. Ebenfalls den Raum betritt der Bibliothekar. Seine Schultern sind gesenkt, der Blick ist auf die Linien im Boden gerichtet, als könne er sich dort verbergen. Der Rhythmus seines Atems ist deutlich schneller.
Evelyn hebt eine Hand – nur diese kleine Geste – und jede Bewegung im Raum scheint innezuhalten. „Ich will wissen, was ihr alles gesehen und erlebt habt. Erzählt in aller Ruhe.“ Ihre Worte fließen langsam, so, als würden sie sich selbst abwägen, bevor sie ausgesprochen werden.
Die Abenteurer erzählen Evelyn ausführlich, was sie erlebt und erfahren haben. Beginnend mit den Ereignissen in den Straßen, den silbernen Erkennungsmerkmalen über die Vorkommnisse im Waffendepot, den entschlüsselten Code, der von Eingeweihten benutzt wurde, um mit dem Mittler in Kontakt zu treten bis hin zum Besuch in der Bibliothek des Hauses Despana mit dem Kampf gegen wie durch Zufall zum ungünstigsten Moment auftauchende Dämonen. Gerade als der Geas des Verantwortlichen gebrochen war, tauchten sie auf und versuchten, den plötzlich Auskunft erteilenden Drow mundtot zu machen. Da dies aber vereitelt werden konnte, ist die Gruppe nun im Besitz von Informationen, die besagen, dass bald ein Bote unterwegs ist, um den Silbernen Mittler in 3 Tagen eine Botschaft zu übergeben. Eine Botschaft, die den Beginn eines Krieges oder dessen unheilvolle Eskalation verursachen könnte. Auch diese Vermutungen erzählen die Freunde ihrer mächtigen Verbündeten ohne Geheimniskrämerei.
Evelyn lässt den Blick langsam über euch schweifen, verweilt einen Herzschlag bei jedem einzelnen. Ihre Stimme folgt erst Sekunden später, tief und weich, geformt wie ein Versprechen, das nicht hinterfragt werden sollte: „Ihr habt… einiges erreicht.“ Ein kurzes Licht flackert in ihren Augen, verschwindet sofort wieder. „Eine Intrige aufgedeckt. Namen gehört, die lieber verborgen geblieben wären. Einen Mann… befreit von seinem Geas.“ Sie wendet den Blick zu dem Bibliothekar und betrachtet ihn, als wolle sie feststellen, ob er wirklich hier steht. Ihre Worte fließen langsam, so, als würden sie sich selbst abwägen, bevor sie ausgesprochen werden. „Ein Treffen also, ein Austausch.“ Es entsteht eine Pause, länger als angenehm. „Nun, es gibt… Augen… die sehen werden, was dort geschieht. Aber das werden nicht Eure sein.“ Sie hebt den Blick, als betrachte sie etwas hinter euch. „Die Hände, die ich dort hinsehen lasse, dürfen nur dann eingreifen, wenn sie für niemanden als Hände Despanas erkennbar sind. Denn diese… man könnte es nennen… Strömung ist zwar nicht gerade katastrophal… Aber halt!“ Sie fixiert euch plötzlich wieder. „Bevor man Ströme lenkt, muss das Becken standhalten. Ich brauche euch noch hier in Erelhei-Cinlu.“ Ihre Stimme bleibt mild, doch jede Silbe trägt Gewicht: „Wir müssen erst die lokalen Wogen glätten… ich muss die Strömung kennen… und erst dann werden meine Armeen neuen Aufgaben folgen.“
Das Wort Armeen fällt fast beiläufig, wie eine Nebensache, die keinen Widerspruch duldet. Ohne jemals Krieg zu sagen, schwebt die Bedeutung im Raum wie eine unsichtbare Schnur, an der Evelyn zieht. „Ich muss sicher sein, dass der Strom, der gerade stärker wird, nicht gegen mich fließt – er soll mir Macht zufließen lassen. Habt ihr dem noch etwas hinzuzufügen?“ Als die letzten Worte verhallen, lehnt Evelyn sich zurück, ihre Hände ruhen ineinander verschränkt, die Fingerspitzen berühren sich wie der Rahmen eines feinen Gefüges.
Sorn und Darron sind bedacht, keinesfalls Evelyns Zorn zu erwecken, fragen aber dennoch höflich nach den Plänen, die Evelyn mit ihnen, den Sklaven des Hauses denn jetzt hat. Evelyns Miene verändert sich leicht – nicht zu einem Lächeln, aber zu einer Andeutung von Zufriedenheit. „Ihr sollt Wasserspiegel glätten, bevor neue Wellen entstehen. Diese Stadt muss mich brauchen – vollständig, unersetzlich – bevor sie mich hinausblicken sieht.“ Sie lehnt sich leicht vor. „Es gibt Netze, Knoten, Stimmen… sie alle können neu gewebt werden, wenn die Hand fest genug ist. Das ist eure Arbeit hier. Für jetzt.“
Ein kurzer Blick zu Anybis – ein stummes Einverständnis.
„Ihr beobachtet. Ihr hört. Und ihr bewegt Dinge… bislang leise genug. Es gibt in Erelhei-Cinlu genug Aufgaben, die eurer… Energie würdig sind.“ Eine kleine Pause – nur das entfernte Knistern einer Fackel füllt sie. „Solche Hände wie Eure… braucht man dort, wo sie gesehen werden.“ Sie spricht weiter, ihren Blick auf die Abenteurer gerichtet, jede Silbe ruhig: „Ich brauche euch hier. In meiner Nähe. Nähe macht das Belohnen einfach…“ Der Ton verändert sich kaum, es ist kein Drohen – nur ein leiser Schatten hinter dem Klang: „…und das Korrigieren.“
Nach dieser Ansprache wendet sich Evelyn dem Bibliothekar zu. „Du standest unter Zwang.“ Die Worte sind weder kalt noch anklagend – eher sachlich, wie ein Richter, der den Befund feststellt. „Ein Geas bindet stärker als jede Kette. Deine Hand war nicht deine eigene.“ Der Bibliothekar hebt den Kopf – vorsichtig. Evelyn lehnt sich leicht nach vorne, ihre Stimme wird beinahe mild: „Es war also nicht dein Wille.“ Ein Hauch von Erleichterung gleitet über sein Gesicht. Die Schultern sinken minimal, der Atem beruhigt sich. „Niemand sollte für etwas sterben, das nicht aus seinem eigenen Herzen kam.“ Die Stille im Raum wirkt nun weniger drückend – für einen Moment. Evelyn richtet sich wieder auf.
„Aber…“
Es ist nur dieses kleine Wort – und es trägt mehr Gewicht als jeder Satz zuvor. „Ein Geas bindet. Und er kann erneut binden.“ Der Ausdruck im Gesicht des Bibliothekars gefriert. „Wer einmal der Kette folgt, kann es wieder tun.“ Eine Pause, so lang, dass sie zum Urteil wird. „In meinem Haus… dulden wir keinen Verrat.“ Evelyn hebt kaum merklich zwei Finger. Die beiden nächststehenden Wachen treten wortlos vor. Sie spricht weiter, sanft, als habe sich nichts geändert: „Du hast mir (lange genug) gedient. Nun bist Du frei.“
Das Wort frei hängt für den Bruchteil eines Augenblicks in der Luft – dann zerschneidet kalter Stahl diese Illusion. Der Dolch fährt präzise zwischen die Schulterblätter. Der Bibliothekar stößt einen keuchenden Laut aus, knickt vorwärts, seine Knie schlagen hart auf den obsidianen Boden. Evelyn blickt nicht einmal hin.
„Frei von jeglicher Möglichkeit, wieder gebunden zu werden.“
Evelyns Stimme trägt weiter, als hätte der letzte Atemzug des Bibliothekars die Luft im Raum nur auf ihre Worte vorbereitet. „Das Echo einer Botschaft… ist oft lauter als die Botschaft selbst.“ Sie lässt ihren Blick leicht an euch vorbei gleiten, als würde sie die unsichtbare Spur dieser Botschaft sehen. „Ihr fragt euch sicher… wer dem Boten folgen wird. Warum nicht ihr?“
Eine sanft geschwungene Handbewegung in die Luft – keine klare Antwort, nur ein Ausweichen, das fast wie ein Tanz wirkt. „Ihr habt Beweglichkeit. Doch Bewegung ist zweischneidig. Wer sich in die Strömung legt, bevor das Wasser den richtigen Lauf genommen hat… treibt womöglich dorthin, wo es niemanden mehr interessiert.“ Sie lehnt sich leicht zurück, ihre Augen ruhen auf einem Punkt irgendwo zwischen euch und der Wand dahinter. „Ein Krieg… kann auch nützlich sein.“ Die Silbe Krieg verlässt ihren Mund so gelassen wie eine Feststellung über das Wetter. „Solange man ihn nicht füttert mit dem, was anderswo gebraucht wird.“ Ein kaum merkliches Senken des Kopfes – kein Tadel, kein Lob; nur die Gewichtung ihrer nächsten Worte: „Unsere Klingen… bewachen derzeit auch Mauern, die uns nicht allein gehören, nämlich die von Erelhei-Cinlu. Und damit auch das Haus Despana.“ Ein winziges Blinzeln verrät, dass sie registriert, ob diese Information euch überrascht. „Tormtor leiht sich unsere Soldaten aus, was mein Haus stärker macht – solange die Ausmaße der entstandenen Abhängigkeit von uns kontrolliert werden.“
Ihre Stimme wird etwas tiefer, wie ein Strom, der jetzt bewusst gelenkt wird: „Ich will, dass diese Stadt mich braucht. Und wenn sie mich braucht, muss mein Haus unantastbar stehen. Erst dann… können Armeen ausrücken, ohne dass deren Wurzeln hier verdorren.“ Ein Hauch von Lächeln streift ihre Lippen, verschwindet sofort wieder. „Was den Krieg betrifft… er wird sich irgendwann zeigen. Lassen wir doch andere die ersten Schritte machen.“ Ihr Blick verhärtet sich leicht. „Ich will jede Farbe dieses Krieges kennen, bevor ich Wappen hineintrage: Wer den Sturm heraufbeschwört. Wer den Wind stärkt. Wo die Flut bricht. Und an welchem Ufer ich meine Fahnen setzen kann, damit die Wellen dort für mich schlagen.“
Sie lässt eine längere Pause, fast so, als würde sie euch ein letztes Mal prüfen.
„Information ist der erste Stein. Den zweiten setzt man erst, wenn man weiß, welcher Bau am höchsten sein wird.“ Anybis lässt den Blick langsam über euch wandern, als wollte sie jede Regung, jedes Unbehagen prüfen und begutachten. Evelyn sitzt weiterhin vollkommen reglos auf ihrem Thron – und ihr wisst: Das Urteil über euch wird genauso ruhig fallen, sollte euer nächster Schritt nicht in der Richtung verlaufen, in die sie ihn sehen will.
Neue Pläne – Verfolgung einer Nachricht an den silbernen Mittler
DIe Gruppe sammelt sich angesichts der etwas weniger attraktiven Aussichten einer fortgesetzt fruchtbaren Zusammenarbeit mit Haus Despana in den Sklavengemächern. Die Ankündigung Evelyns, dass eine Spezialeinheit des Hauses sich um die Beseitigung jeglicher Spuren kümmern werden, die einen Verdacht auf Despana lenken können, inklusive des Boten selbst, macht der Gruppe Sorgen. Sie berät eingehend, ob die Botschaft, die dem silbernen Mittler überbracht werden soll, abgefangen, zerstört oder gar in veränderter Form ausgeliefert werden sollte. Diese Aufgabe einfach den Schergen des Hauses Despana zu überlassen, die gar nicht so deutlich an einer Verhinderung eines Krieges an der Oberfläche interessiert zu sein schienen, kommt für die Abenteurer nicht in Frage. Der Plan wird gefasst, sich selbst um die Verfolgung des Botschafters zu wagen.
Mit einem Vorwand, Sklaven für das Haus rekrutieren zu wollen, verlassen die Gefährten die Anhöhe und benutzen ihre in den lokalen Bibliotheksräumen zusammengesammelten Karten der Wege zur Grotte des unterirdischen Wasserfalls, an dem das Treffen mit dem silbernen Mittler stattfinden sollte, um eine Taverne mit dem Namen „Zur Spinnenrast“ anzusteuern. Sie lag ziemlich genau auf halbem Weg zwischen Erelhei-Cinlu und dem prognostizierten Treffpunkt des Boten mit dem silbernen Mittler.
Als die Gruppe auf dem Weg dorthin versuchte, erste Spuren aufzunehmen, übertrafen sich Imogen (in Gestalt von Inlara) sowie das neue Gruppenmitglied Lasgela, eine weitere Fährtensucherin, im Erkennen von eindeutigen Zusammenhängen. Die Gruppe des Boten schien aus mindestens zwei, wahrscheinlich drei Personen zu bestehen, die ohne große Hast, aber dennoch zielstrebig unterwegs waren. Um jedoch den Reittieren, die sich Zyn, Soron, Inlara, Darron und Lasgela aus dem Hause Despana geliehen hatten, eine Pause zu gewähren, betraten sie die Gasträume der „Spinnenrast“, um eine kurze Erholung zu erzielen.
Der Tunnel öffnet sich zu einer niedrigen, breiten Kammer, deren Zentrum eine kunstvolle Konstruktion aus geflochtenen, schwarz lackierten Balken bildet. Zwischen den Balken hängen schwere Tücher aus Spinnenseide – teils bemalt mit goldenen Linien, teils unbemalt, wie sie aus den Tiefen geernt wurden. Ein geschnitztes Schild über der Eingangsnische verkündet in feinen, geschwungenen Glyphen: „Zur Spinnenrast“ – flankiert von zwei stilisierten Spinnen in Silberlack. Die Luft ist warm, leicht mit einem bitter-süßlichen Duft durchzogen, vielleicht von den Räucherharzen, die in einer Schale vor dem Herd schwelen. Über niedrigen Tischen aus dunklem Edelholz hängen metallene Lampen, in denen phosphoreszierende Pilze glimmen und die Schatten der Spinnentücher langsam über die Gäste wandern lassen.
Einige Nischen im hinteren Bereich sind mit Spinnenseidenvorhängen abgetrennt – dahinter liegen die Schlafplätze: eingelassene, mit Polstern und Decken bedeckte Steinvertiefungen für Reisende, die nicht in den offenen Kammern nächtigen wollen. Das Murmeln von Stimmen ist immer begleitet von einem leisen Knacken der Harzkohle im Herd, und irgendwo im Seitengang tropft Wasser langsam auf Stein.
Während sich Sorn für die Gruppe einen Tisch am Rand sichert, in Sichtweite des dämmrigen Tresens, fallen die Ohren der Abenteurer auf das Gespräch zweier Drow-Männer am Nachbartisch. Sie lehnen dicht zusammen, offenbar überzeugt, dass ihre Stimmen im allgemeinen Geräusch untergehen. „Hast du sie gesehen? Drei von uns – sahen aus, als hätten sie mehr als nur normale Wachen dabei. Und der silberne Koffer… ich schwöre dir, er hat geglimmt. Aber nicht wie Metall – mehr wie etwas, das atmet.“ Der andere nimmt einen Schluck aus seinem schmalen Kelch, nickt langsam: „Sie waren nicht lange hier. Haben kaum den Wein angerührt. Bruchstücke gesagt über einen Auftrag und… wollten noch vor der Abentstunde weiter. Richtung Nordpfad.“ Der erste senkt die Stimme ein wenig: „Kein ungefährlicher Weg. Vielleicht weiter zu den Wasserfällen. Aber sowas sagt man nicht zu laut.“
Ein flüchtiger Blick streift euren Tisch – prüfend, dann wieder weg – und das Gespräch verstummt. Das gedämpfte Licht aus den Pilzlampen wirft erneut die wandernden Spinnenschatten über eure Gesichter. Nur eines hängt im Raum wie ein loser Faden im Netz: Drei Drow. Ein silberner Koffer. Schon aufgebrochen.
Soron ergreift die Gelegenheit, die Reisekasse aufzubessern und versucht, mit lautem „Ausplaudern von Geheimnissen“ die zwei Drow hinter die Taverne zu locken. Nach kurzem Zögern scheinen die beiden auch angebissen zu haben, denn einer der beiden bezahlt die Zeche an der Theke und folgt schließlich seinem Gefährten nach draußen. Während er vor dem Höhlenausgang wartet, begibt sich der zweite tatsächlich in Richtung des Hintereingangs in die Schatten. Als Inlara Soron und Darron durch ein Fenster zu Hilfe eilen will, hört sie allerdings statt Kampfeslärm nur das Plätschern eines winzigen Baches, der durch die vorher getrunkenen Gläser Elfenwein gespeist wurde. Angeekelt sammelt sie den Rest der Gruppe ein und man beschließt, den Weg Richtung Nordpfad ohne weitere Verzögerung einzuschlagen. Die beiden Drow schienen sich auf den (Rück-)Weg nach Erelhei-Cinlu gemacht zu haben.
Der Nordpfad führt die Abenteurer durch eine enge Felsspalte, deren Wände mit scharfen Quarzadern durchzogen sind. Das Licht der pilzartigen Flora flackert hier wie schwaches Sternenlicht. Der Boden ist rau und von schmalen, langen Kratzspuren gezeichnet – frische Spuren, noch scharfkantig. Aus der nächsten Biegung hört die Gruppe plötzlich das unverkennbare Schlagen von Metall auf Stein, gefolgt von einem hektischen Drow-Fluch. Sie treffen auf eine kleine Höhle, kaum größer als ein Marktplatzraum, die sich zu einer Spalte nach Norden öffnet. Dort kämpfen zwei Drow-Krieger – beide mit gezückten Krummschwertern – gegen die Tentakel eines ausgewachsenen Ropers. Just in dem Moment, als die Gruppe ankommt, erwischt es einen der beiden Drow und die Schwächung des magischen Monsters setzt einen der beiden Kämpfer außer Gefecht.
Die Gruppe entscheidet sich, in den Kampf einzugreifen und die Drow zu unterstützen. Zunächst wird ein Gruppenmitglied Imogen von dem Roper eingefangen, die Schwächung schlägt jedoch fehl und Lasgela schlägt das Tentakel durch. Nach nicht einmal einer Minute ist der Kampf mit schlechtem Ende für den Roper entschieden.
Der Roper liegt reglos am Höhlenboden, seine langen Stränge schlaff und zerfetzt, die feuchte, hornige Oberfläche stumpf geworden. Der seltsame Geruch von zerschlagenem Stein und altem Fleisch hängt schwer in der Luft. Die beiden Drow-Krieger befreien sich von den letzten Fetzen der Seile, ihre Krummschwerter blut- und staubbeschmiert. Sie wirken angespannt – nicht wegen des Kampfes, sondern wegen eurer Anwesenheit.
Der vom Roper geschwächte sitzt teilnahmslos herum und atmet schwer, der etwas gefasstere murmelt leise: „Wir brauchen euch nicht. Geht euren Weg.“ Soron läßt sich jedoch nicht auf Spielchen ein, sondern stellt fest, dass die beiden in der Schuld der Gruppe stehen und außerdem verdächtig wirken, ein doppeltes Spiel zu treiben. Zunächst geht der Ältere nicht auf die Anschuldigungen ein, jedoch wird im Laufe des Gesprächs immer klarer, dass sie eigentlich zu dritt waren und der fehlende Drow bereits auf dem Weg ist.
Schließlich geben sie zu, dass sie zusammen mit einem dritten unterwegs waren, dessen Forsetzung des Weges dank ihrer Hilfe aber möglich wurde. Sie bedanken sich sogar knapp und tonlos. Die Gruppe kontrolliert die Situation aber vollständig, läßt die beiden Drow allerdings schlusendlich Richtung Erelhei-Cinlu davonkommen. Womöglich hatte einer der beiden etwas an seiner Hand, was er allerdings vor den Augen der Gruppe verbergen konnte.
Die Gruppe nimmt die weitere Verfolgung des Boten auf. An einer bereit zuvor diskutierten Abzweigung scheint der Bote die vermeintliche Abkürzung genommen zu haben. Zurgin, bzw. Zyn kann jedoch mit Hilfe eines Babelfischs die von Inlara entdeckten Runen, die aber in einer für Drow unbekannten Sprache abgefasst waren, entziffern. Offenbar ist der Gang der prinzipiell eine Abkürzung auf dem Weg zum Wasserfall darstellt, in etwa 2h Entfernung von der Abzweigung eingestürzt und unpassierbar geworden. Darauf weisen die einige Tage alten Runen im Stein hin. Da der Bote den Spuren zufolge dennoch diesen Weg gewählt hatte, folgt ihm die Gruppe, gemeinsam mit ihren Reittieren. Nicht ohne vorher Lasgenas Falken in den Tunnel zu schicken, um die Fakten des Einsturzes zu überprüfen, aber keine Zeit dabei zu verlieren.
Als sie bereits eine knappe Stunde in den etwas engeren Tunnel, in dem Reiten nicht mehr gut möglich war, gewandert waren, kehrte der Falke zurück und die Gruppe entdeckte folgendes.
Das dumpfe Tropfen von Wasser hallt irgendwo weit hinten im Tunnel, jeder Laut getragen von der endlosen Leere des Unterreichs. Hier, ein gutes Stück entfernt von Erelhei-Cinlu, windet sich der breite Hauptgang wie der Lauf einer uralten Ader durch den Basalt. Schwarze, spiegelglatte Steinwände, durchzogen von matten Quarzadern, leuchten schwach im kalten Licht der Mykosen, die wie zerfranste Vorhänge aus Pilzfäden aus Wandbuchten hängen. Rechts vom Verlauf des Weges öffnet sich eine Nische – ein Spalt in der Mauer, von dichtem, blau phosphoreszierendem Mykosenbewuchs erfüllt. Ihr schwaches Schimmern taucht die Umgebung in ein unnatürliches Licht, wirft lange, verzerrte Schatten in das Rissnetz des Gesteins. Zur Linken steigt eine schräge Rampe aus dem Hauptgang, die auf eine Erhöhung von kaum zwei Schritten Höhe führt. Dicht gedrängt stehen dort schlanke Stalagmiten wie ein steinernes Gebälk, perfekt um dahinter ungesehen zu warten. Von hier habt ihr Blick auf beinahe den gesamten mittleren Abschnitt des Tunnels – eine natürliche Killzone.
Nach kurzer Diskussion waren sich die Abenteurer einig, hier einen Hinterhalt für den höchstwahrscheinlich zur Umkehr gezwungenen Boten zu legen. Inlara zog sich mit den Reittieren einige Dutzend Meter zurück, der Rest der Gruppe versteckte sich hinter den Stalaktiten und -miten auf dem Podest.
In der leisen, feuchten Luft tritt er schließlich aus der Biegung: eine schlanke Gestalt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Unter dem Umhang zeichnet sich die Bewegung seiner Schultern ab, jede Muskelspannung verrät Wachsamkeit. In seiner linken Hand trägt er einen schmalen Metallkoffer, mit dezenten Beschlägen und eingelassenen Mustern, deren Konturen im Pilzlicht glimmen. Er bleibt dicht an der rechten Wand, nutzt den Schattenwurf der Mykosen und das Lichtspiel der Quarzadern, als wüsste er, dass jede falsche Bewegung ihn verraten könnte. Die Finger der Gruppe schließen sich fester um Klingen, Pfeile, Zauberstäbe. Der Moment ist fast da – noch wenige Schritte, dann befindet er sich genau dort, wo sie ihn haben wollten.
Und dann…
Ein leises, tiefes Vibrieren unter euren Füßen – so subtil, dass ihr euch im ersten Augenblick fragt, ob es Einbildung war. Es kommt aus der rechten Nische, dort, wo die Pilze wie ein struppiger Vorhang den Gesteinsspalt verhüllen. Der Basalt beginnt sich zu wölben, wie von etwas auf der anderen Seite gedrückt. Ein einzelner Riss schießt in gezackten Linien über die Nischenwand, schimmernde Splitter springen ab und fallen wie Glas zu Boden. Mit einem plötzlichen, berstenden Krachen bricht die Wand auf – lose Steine und Staub regnen zu Boden, Mykosenbüsche werden zerrissen. Ein massiger Delver (huge) stößt aus der Öffnung, sein Vorderleib von hornigen Grabplatten bedeckt, der mächtige Kopf wie der Bohrkopf eines Gesteinsbrechers. Blasse, kieselartige Augen fixieren sofort den Metallkoffer in der Hand des Botschafters.
Der Botschafter tritt instinktiv zurück, stolpert – der Koffer schlägt hart auf den Boden, rutscht ein Stück näher an den Delver. Das Maul der Kreatur zuckt, als hätte sie ihre Beute längst gewählt. Noch bevor ihr reagieren könnt, bebt der Boden erneut. Der aufgebrochene Durchbruch reißt weiter auf – und mit einem gellenden Brüllen brechen zwei massive Umber Hulks aus der Finsternis dahinter, multifacettierte Augen blitzen im Pilzlicht, Klauen bereit zum Angriff. Offenbar waren sie auf den Fersen des Delvers, der grabend zu langsam für die flinken Hulks war.
Der Delver beginnt nun, sich vom Loch weg und tiefer in den Gang zu schieben, den Koffer im Blick. Die Umber Hulks setzen ihm nach – und im tobenden Chaos aus Staub, splitterndem Gestein und Schritten auf Basalt nutzt der Botschafter die Gelegenheit: er springt zurück in den Schatten der ursprünglichen Linksbiegung. Mit einer schnellen Handbewegung taucht er eine Halbkugel rund um den Koffer in pechschwarze Dunkelheit. Staub wirbelt, die Sicht bricht in flackernde Fragmente – der perfekte Hinterhalt ist tot. Jetzt entscheidet sich, ob der Koffer geretten werden kann, oder ob er mitsamt Botschaft in den Schlund dieser Unterreich-Bestie verschwindet.
— Kampf —
Zyn hastet die Gruppe, Darron verteilt Cat’s grace und verbesserte Unsichtbarkeit an alle, bevor er mit einem Feuerball die Aufmerksamkeit des Delvers auf sich zieht.
Der Delver tötet einen Umber Hulk, greift danach einige PCs an. Dem Umber Hulk gelingt ein confusing gaze auf Zyn, der aber weitgehend normal agiert.
Der Delver, als auch die Umber Hulks scheinen sich von der verbesserten Unsichtbarkeit der Gruppe (mit Ausnahme von Inlara) nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, offenbar beherrschen sie die Lokalisierung ihrer Gegner rein auf Schallbasis (wie Zurgin später messerscharf analysiert) und der Kampf nimmt einen zu erwartenden Verlauf. Trotz einiger harter Angriffe des Delvers gegen Darron und Lasgela, reicht die vereinte Stärke der Gruppe auch für diese furchterregenden Kreaturen aus und bringt die Angreifer dank Feuerball, beschworenem Greif und jeder Menge Pfeile aus Inlaras Köcher trotz Zyns Verwirrung zur Strecke. Lediglich den silbernen Koffer hatte man aufgrund der größeren Gefahr durch die Gegner und der Dunkelheit aus den Augen verloren. Als der Drow im Schutz der Dunkelheit den Koffer wiedergefunden hatte und zwecks besserer Sicht selbige verschwinden ließ, nahm er dank eines Trankes der Gasform in Windeseile Reißaus. Die Nachwirkungen der Säure des Delvers, die unter anderem Darrons Kleidung zum größten Teil zerstört hatte, waren aber dank eines wieder zur Vernunft gelangten Zurgin schnell unter Kontrolle gebracht und die Reise konnte weitergehen.
Die Kristallfälle von Dharavos Eid
Das leise Tropfen in der Dunkelheit hallte wie ein Taktgeber, während die Abenteurer in ihrem provisorischen Rastplatz die letzten Spuren des Kampfes abstreiften. Der Geruch von verbranntem Leder und Metall hing noch in der Luft. Von weit hinten, in der Finsternis des seitlichen Tunnels, kam ein rhythmisches Stampfen – langsame, gleichmäßige Schritte, begleitet von einem metallenen Scheppern, als ob jemand einen Eisenhammer gegen einen Schild lehnen würde.
„Wer da?“ rief Darron, den Stab erhoben. „Ich lass doch keine Amateure die Übergabe eines silbernen Koffers verpassen.“ Die Stimme war tief, rau – und unüberhörbar Durrak. Kurz darauf trat der Zwerg in das fahle Schimmerlicht eines Pilzfelses. „Am Ende ist er euch zu schwer, und ich darf euch wieder rausziehen.“ Er grinste breit, zog einen Wasserschlauch aus seinem Gürtel und nahm einen langen Schluck. „Du hast also doch den Weg gefunden,“ meinte Imogen, die ihrerseits die leichte Anspannung löste. „Pff. Wenn man weiß, wo die Gänge atmen, dann weiß man auch, wie man läuft.“ Durrak klopfte auf die Felswand, und tatsächlich drang ein dumpfer Hohlklang aus dem Gestein – der Tunnel war hier nicht massiv, sondern von verborgenen Luftkammern durchzogen.
Gemeinsam wanderten sie nach letzten Vorbereitungen und ausschweifenden Plänen weiter. Der Gang vor ihnen wirkte nicht besonders gefährlich, aber immer wieder… beobachtend. Aus Ritzen im Basalt tropfte Wasser, das sich in Rinnsalen sammelte und krumme Pfade über den Boden zog. Die Wände waren mit feinen Kristalladern durchzogen, die im schwachen Biolicht der Pilze wie erstarrtes Feuer glühten. Mal verengte sich der Gang zu einem Spalt, durch den nur eine Person seitwärts schreiten konnte; mal öffnete er sich zu kleinen Hallen, deren Decken so hoch waren, dass selbst Imogen und Lasgela den oberen Rand nicht erkannten. Mehr als einmal glaubten sie, entferntes Scharren zu hören – wie Krallen, die über polierten Stein gezogen wurden.
Zurgin schnippte mit irgendeinem komischen Werkzeug und ließ eine magische Lichtkugel in einem drängenden, tiefblauen Strahlen mitziehen. Das Leuchten fiel auf feine Pilzwaldungen, deren Hüte die Form winziger Glocken hatten – jeder bei Berührung leise klingend. „Wir sind nicht allein,“ murmelte Sorn knapp, als sie einen Schatten in einer Biegung verschwinden sahen. „Macht nichts,“ brummte Durrak. „Solange sie klug genug sind, uns nicht vor den Wasserfällen herauszufordern.“
Je weiter sie gingen, desto lauter wurde ein tiefes Rauschen, das sich wie das Grollen eines fernen Gewitters anhörte. Der Weg war schon seit einer Viertelstunde seltsam geworden. Der Hauptgang, bislang eine klare, leicht abschüssige Röhre aus dunklem Basalt, begann immer öfter auszufransen wie ein zerfledderter Stoff. Erst gingen kleine Nebenrisse nach links oder rechts ab, kaum mehr als Nischen für Wasserläufe oder Pilzkolonien. Doch dann öffneten sich ganze Nebengänge, breit genug, um alle bequem nebeneinander marschieren zu lassen – und jeder in eine andere Richtung.
Mal war der Boden in einem Nebenweg trocken und staubig, mal glitzerte er vor Feuchtigkeit, mal war er so mit Myzel überwachsen, dass er fast weich wirkte. Licht kam kaum noch von den Wänden; nur die blassen, phosphoreszierenden Pilzhüte gaben einen schwachen Schein, und der Hall der Gruppe vervielfältigte sich in den verschiedenen Abzweigungen auf eine fast verwirrende Art. „Ich mag das nicht“, murmelte Lasgela und sah in einen nach unten führenden, schattigen Gang. „Das hier fühlt sich an, als wäre es gemacht für falsche Entscheidungen.“ Durrak grunzte. „Wenn’s nach mir geht, marschieren wir einfach geradeaus. Orientierungskunst gibt’s schließlich nicht umsonst.“ Doch „geradeaus“ gab es nun nicht mehr. Der Weg verzweigte sich schließlich so klar, dass drei große Öffnungen vor ihnen lagen – jede zweieinhalb Meter hoch, jede breit genug, um den Blick ins Dahinter gleich wieder in Dunkelheit verschwinden zu lassen.
Sorn beäugte den rechten Gang, in dem ein leichter Windzug zu spüren war. „Das könnte eine Verbindung zur Oberfläche sein – oder zu einem unterirdischen See.“
Imogen deutete auf den linken Gang, dessen Boden von feinen Kalkschichten überzogen war. „Der hier sieht aus, als wäre weiter unten ein kleiner Wasserfluss – vielleicht der Zufluss zu den Fällen.“ Zurgin hob den Kopf, starrte in die drei Öffnungen und griff dann mit einem Lächeln an seine Tasche. „Zeit für etwas altmodische Kunst.“ Er holte ein Messing-Hörrohr hervor – knapp einen halben Meter lang, mit einer leichten Trompetenform am Ende. Vorsichtig setzte er das weitere Ende an sein Ohr und bewegte den breiten Trichter nacheinander zu den drei Gängen.
Zuerst der rechte: ein dumpfes Echo, das sich wie das Schlagen einer Tür anhörte, dazu ein unerwartetes hohes Pfeifen – unregelmäßig. Zurgin schüttelte den Kopf.
Dann der linke: ein leises Murmeln von Wasser, aber weit entfernt, zu gleichmäßig für die donnernde Flut der Fälle. „Das ist nicht unser Zielwasser, das hier strömt sanft – könnte ein Nebenbach sein.“ Schließlich der mittlere Gang: Zurgins Augen weiteten sich. Vom Rohr wehte ein tiefer, vibrierender Bass, der sich anfühlte, als stünde man schon im Sprühnebel des Wasserfalls. Dazu ein rhythmisches, gleichmäßiges Rumpeln – genau das Donnern, das sie seit Stunden immer wieder fern gehört hatten.
Er nahm das Rohr vom Ohr und grinste. „Das ist unser Weg. Der mittlere Gang – direkt zu den Kristallfällen von Trevalyns Frieden.“
Ohne weiter zu zögern stellten sie sich neu in Reihe und marschierten hinein. Der Gang war hier breiter und leicht feucht, das Licht der Pilze spiegelte sich auf kleinen Wasserperlen an der Felswand. Mit jedem Schritt wurde das Rauschen deutlicher und tiefer, bis es durch die Wände vibrierte – ein Versprechen, dass der unterirdische Fluss ganz nah war. Das Rauschen des Wasserfalls war dann auch das Erste, was sie hörten – ein gleichmäßiges, donnerndes Grollen, das jede andere Geräuschspur verschluckte. Die letzten Schritte durch den schmalen Tunnel öffneten sich zu einer großen Höhle, halb geformt von der Natur, halb durch uralte, scharfkantige Mauern in den Fels gehauen.
Das Donnern des Wasserfalls legte sich wie eine vibrierende Decke über die Höhle. Feiner Sprühnebel schwebte in der Luft, legte sich als kühle Feuchtigkeit auf ihre Haut und glitzerte im blassen Licht der Pilze an den Wänden.
Von einer erhöhten Nische aus blickte die Gruppe hinunter auf das flache Becken. Auf der einen Seite des Beckens – links von ihnen – stand der Botschafter. Seine Kapuze war tief ins Gesicht gezogen, doch darunter waren feine, schmale Züge zu erkennen, der Ausdruck eines Mannes, der immer mit Berechnung sprach. Seine Haut war dunkel, die Augen schmal und wachsam, jede Bewegung kontrolliert. In seiner linken Hand hielt er den metallisch glänzenden Koffer – poliertes, matt schimmerndes Silber, dessen Kanten wie scharfe Linien im Licht funkelten. Neben ihm stand nur eine einzelne Gestalt, die mit wachem Blick den schmalen Seitengang im Rücken kontrollierte.
Auf der gegenüberliegenden Seite, leicht erhöht auf einem Vorsprung aus schwarzem Basalt, stand eine Gestalt, die den Blick aller Beteiligten sofort fesselte. Hochgewachsen, von schlankem, makellosem Körperbau, gehüllt in einen Mantel aus tiefgrauem Stoff, der bei jeder noch so kleinen Bewegung wie flüssiger Schatten um ihn floss. Der Mantel fiel wie fließender Schatten bis zu den Stiefeln, jede Bewegung kontrolliert – als stünde er in einem Raum, der schon ewig ihm gehörte, in dem Moment, wo er ihn betreten hatte. Sein Gesicht war bleich, zu ebenmäßig für einen gewöhnlichen Drow, die Augen schimmerten silbern im fahlen Licht, und in seinen Bewegungen lag eine seltsame Mischung aus Gelassenheit und Berechnung. Die Gestalt war so präsent, dass sie sich tief in ihre Gedanken einprägte – so, als könnte er sie allein durch diesen Blick lesen und bewerten. Etwas an ihm rief eine Erinnerung hervor – nicht greifbar, aber von einer Intensität, die ihnen kurz den Atem stocken ließ.
Diese Ruhe, diese mühelose Beherrschung des Raumes, als wäre alles hier Teil seines Besitzes; die unmerkliche Schärfe hinter jedem Blick, das unausgesprochene Versprechen von Macht. Dieses Gefühl hatten sie nur einmal zuvor erlebt – im Palast von Angelbury – und gerade das machte es so schwer zu verdrängen. Zu seiner Linken stand eine kleine Gruppe Drow – ihr Blick immer wieder zu ihm gerichtet, nicht misstrauisch, sondern fast warm, wie Freunde, die sich über ein Wiedersehen freuten. Ihre Haltung war locker, vertraut – doch jeder von ihnen trug seine Waffe griffbereit, als wäre es selbstverständlich, sie im Auftrag dieses Mannes zu führen. Rechts von ihm hielten sich zwei Duergar im Schatten nahe des Wasserbeckens – massige Gestalten mit grimmigen Gesichtern, die kleine, schartige Waffen ruhig, aber einsatzbereit hielten.
Der Wasserfall rauschte stetig, überdeckte feine Geräusche, und hin und wieder trug das Flackern einer Lichtreflexion das kurze Schimmern von Metall in die Augenwinkel. Hoch oben über dem Wasserfall, zwischen gezackten Felsvorsprüngen, blitzte bei einem Lichtreflex kurz etwas auf – vielleicht nur ein Tropfen, vielleicht ein Stück Metall. Es verschwand sofort wieder zwischen Schatten und Fels, und das Rauschen des Wasserfalls legte sich wie eine Decke über den Rest der Szene. Für einen Moment beschlich Imogen das Gefühl, als würde neben ihnen noch jemand die Szene betrachten, aber dies ging schnell wieder vorüber.
Sorn und Lasgela waren sich nach eingehender Umsicht sicher, dass sie in der engen Felsnische, etwa vier Meter über dem Boden, mit klarem Blick auf beide Parteien, relativ sicher vor zufälliger Entdeckung sein würden. Der Stein unter ihnen war feucht, der Geruch von Wasser und altem Moos mischte sich mit dem metallischen Hauch einer Waffe, die irgendwann hier geschlagen worden war.
Der Botschafter trat näher an das Wasser, den silbernen Koffer in Händen, Nebel sammelte sich auf seinem Umhang. Seine Stimme war tief, klang jedoch nicht nach einer Ansprache, sondern eher wie ein pünktlich abgelieferter Bericht: „Man sagte mir, Ihr würdet persönlich übernehmen.“ Die Gestalt auf der rechten Seite neigte den Kopf leicht – jede Geste wirkte wie eine gezielte Bewegung einer Figur auf einem Schachbrett. „Es gibt Inhalte, die nicht durch dritte Hände gehen. Wer den ersten Blick wirft, behält den Vorteil, wenn das Netz sich schließt.“ Der Botschafter senkte den Blick kurz auf den Koffer, strich mit einem Finger über den kühlen Metallrand. „Mir ist der Inhalt nicht bekannt. Ich überbringe nur, was man mir gab.“ Sein Gegenpart trat einen halben Schritt vor, die Stimme nun niedriger, aber mit einem Gewicht, das den Raum um ihn füllte: „Und doch wirst du verstehen, was er bewirken wird. Sag mir – hast du den Strom bemerkt? Nicht den aus Wasser hier… den, der durch die Städte floss, die Armeen unruhig machte, den Hunger nach Ziel und Auftrag.“
Der Botschafter schwieg. Der andere, wohl tatsächlich der silberne Mittler, fuhr fort, sein Blick eine kalte Linie, als würde er den Inhalt des Koffers bereits sehen: „Dieses hier… wird den Strom zu einem Fluss machen. Und Flüsse kennen nur eine Richtung – vorwärts. Wer sich hineinlegt, wird fortgetragen, ob er will oder nicht.“ Er hielt inne, der Sprühnebel legte sich wie feiner Staub über den Schatten seines Gesichtes. „Sobald meine Kontakte dies empfangen … wird es keine Ratsversammlung mehr geben … es wird einfach … beginnen.“ Ein kurzes, beinahe unmerkliches Lächeln, so scharf wie eine Klingenkante, beendet die Ausführungen. Der Botschafter richtete sich auf, streckte seine Arme mit dem Koffer in Richtung des Mittlers aus. „Mein Auftrag endet hier.“ „Ja,“ antwortete der Mittler weich, „und meiner beginnt.“ Der letzte Satz des Silbernen Mittlers hing zwischen den Wänden wie ein kalter Nebel – das Wasser donnerte weiter, der Silberkoffer glänzte im Sprühlicht.
Dann geschah alles praktisch gleichzeitig.
Aus den Schatten oberhalb des Wasserfalls, dort, wo der Sprühnebel die Felswände halb verbarg, zuckten plötzlich Armbrustbolzen herab – lautlos, bis sie mit einem harten Klack auf den Stein vor den Duergar einschlugen. Noch bevor jemand richtig reagieren konnte, lösten sich schwarze Silhouetten aus der Felsrampe neben dem Schleier: sechs hochgewachsene Drow in schlichten, dunklen Rüstungen, ohne Wappenschilder, ohne Hausfarben. Sie bewegten sich synchron, wie aus einem einzigen Gedanken heraus gesteuert. Ihre Klingen glommen im Pilzlicht, und eine von ihnen trug einen kurzen Wurfspieß, den sie schon beim ersten Schritt in Angriffshaltung nahm.
Der erste Bolzen streifte den Arm eines Drow neben dem Mittler, der mit einem aufgerissenen, überraschten Blick zur Rampe hinauf sah. Der Botschafter zog den Koffer einen halben Schritt zurück an seinen Körper, seine Leibwächter stellten sich vor ihn, Krummschwerter schräg ins Licht erhoben. Ihre Blicke wechselten zwischen den Angreifern und dem Mittler – und für den Bruchteil eines Moments existierte die Übergabe nicht mehr, nur die Bedrohung dieser unbemerkt eingetroffenen Drow.
Der Mittler selbst drehte den Kopf, seine silbernen Augen verengten sich minimal. Keine Zurufe, kein Befehl – nur ein einziger Schritt zur Seite, der ihn aus der direkten Linie der Armbrüste brachte.
