Ab in den Underdark …

Die Quelle des Rauchs

Der Rauch kam nicht direkt aus Raidath‘s Büro, sondern strömte durch einen kaum sichtbaren Schlitz in der Wand hinter einem Regal ins Freie. Natürlich lag der Verdacht einer Geheimtür nahe und prompt entdeckte Imogen auch den für deren Öffnung erforderlichen Mechanismus. Als sie jedoch plötzlich zögerte, nachdem sie die zwei kleinen Hebel für die Entriegelung umgelegt hatte, trat Xander staatsmännisch an die Tür heran und schob sie einfach zur Seite. Der in wallenden Schwaden einströmende Rauch biss den Abenteurern sogleich in den Augen, dennoch wollten sie nun unbedingt wissen, was sich hinter dieser Tür befand und traten unerschrocken durch die Wand aus schwarzem Rauch hindurch. Eine kleine Treppe führte in einen unerwarteten Keller, der komplett mit dichtem Rauch gefüllt war. Erst als nach einigen Minuten ein großer Teil des Rauchs ins Freie gezogen war, konnte der Tunnel durch Zurgin und Durrak lokalisiert werden, aus dem der Rauch ins Regierungsgebäude strömte. Xannry hatte inzwischen weitere Türen ausfindig gemacht, hinter denen sich aber nur langweilige Abstellkammern befanden.

Eine seltsame Spalte in der Wand des der Treppe gegenüber liegenden Abschnitts stellte sich jedoch alsbald als weitere Geheimtüre heraus, die wohl nur hastig zugezogen worden war und von den starken Recken schnell geöffnet werden konnte. Dahinter stießen die Abenteurer auf einen ganz und gar unerwarteten Anblick. Eine Wendeltreppe, die eines Palastes angemessen gewesen wäre mit einer Breite von mehr als 10 Fuss verschwand hier in der Tiefe. Der Klang des Raumes verhieß bereits nach kurzer Diskussion sehr tiefe Abgründe, zu denen Benutzer der Treppe gelangen konnten. Spuren auf der Treppe deuteten an, dass hier zwar regelmäßiger, aber nicht besonders starker Verkehr stattfand. Für Xannry, Durrak und Yue Fei war die Sache klar: Nix wie hinterher, wer auch immer diese Treppe zuletzt benutzt hatte, er durfte nicht unbekannt im Unterreich verschwinden. Zurgin erahnte die Chance auf weitere kostbare Zugaben zu seinen Ausführungen über die Theorie der Klänge und schloss sich mental ebenfalls sofort an. Auch Xander war bereit, Licht in die Dunkelheit zu bringen, wollte aber sicher gehen, dass die Erfolge, die die Gruppe in Angelbury mit der unmittelbar bevorstehenden Enttarnung eines Ratsmitglieds als Vampir hatte, nicht einfach zusammen mit den Abenteurern im Untergrund verschwanden und bestand darauf, eine Botschaft zu hinterlassen, die eine Rückkehr unter Einhaltung von Recht und Anstand ermöglichen würde. Imogen, die ganz und gar nicht begeistert von der Idee war, ihren Erzfeinden, den Dunkelelfen, einen Besuch abzustatten, war überstimmt und schloß sich – wenn auch ein bisschen widerwillig – dem Abenteuer an.

Auf dem Weg nach unten, der sich immer länger und länger zu ziehen schien, tauschten sich die Abenteurer über ihre Erfahrungen, Erkenntnisse und Gerüchte aus, die mit den in der Unterwelt lebenden Zivilisationen zu tun hatten. …

Am Fuß der Treppe

Als sie nach über einer halben Stunde endlich am Fuß der Treppe ankamen und in einen aus rohen Fels gehauenen Gang eintraten, bemerkten sie unmittelbar die Anwesenheit von Feuchtigkeit sowie einen modrigen Geruch, der dem von Moos und Pilzen sehr ähnlich war. Als sie den Gang etwa dreihundert Fuß weit verfolgt hatten, näherten sie sich einer schwach beleuchteten unterirdischen Höhle, in der sich Beete von fluoreszierenden, teils eßbaren (wie Imogen postwendend anmerkte), Pilze befanden. Diese fungierten als schwache Lichtquellen, was es den Abenteurern beinahe erlaubte, ihre Fackeln zu löschen, die sie seit Betreten der unbeleuchteten Treppe mit sich trugen. Xannry war von dem Anblick völlig überwältigt und sprach den violetten Pilzen, die sich bunt zwischen die anderen Pflanzen gemischt hatten, offensichtlich sogar Intelligenz zu als er versuchte, sie auf elfisch anzusprechen. Wie Imogen süffisant anmerkte, sollte er sich von den stummen Pilzen besser fern halten. Die Warnung geflissentlich ignorierend, bediente er sich mittels seines Dolches erst einmal an einem eßbaren Leuchtpilz, dessen Licht aber offenbar nur in Kontakt mit Nährstoffnachschub gut funktioniert und so warf Xannry das nicht besonders hell leuchtende Stück Pilz wieder weg. Als sich Xander erneut über die violetten Pilze, die sich offensichtlich seit Xannrys Aktion ständig neu ausrichteten, wunderte und feststellte, dass sie sich möglicherweise sogar durch den Raum bewegen, warnte er erneut eindringlich vor der unbekannten Umgebung.

Einige Nebenhöhlen und zwei in die Dunkelheit führende Ausgänge aus der Drei-Wege-Kreuzung komplettierten das Bild, was sich die Gruppe nach einigen Minuten Untersuchung gebildet hatte. Manche der Nebenhöhlen schienen Durchreisenden als Ruheplatz zu dienen, während andere mit Spinnweben zugesetzt waren. Eine von Yue-Fei angestrebte Nebenhöhlenentzündung durch das Abfackeln der Spinnweben scheiterte jedoch an der allgegenwärtigen Feuchtigkeit bereits nach dem Abbrennen weniger Fäden. Imogen ermittelte einen regen Verkehr auf der Hauptverkehrsstraße von Südwest nach Nordost mit einigen in die Richtung der Treppe abzweigenden Spuren, die überwiegend aus Nordost kamen und gingen. Auf der nun durch Ausschwärmen beschleunigten Suche nach Spuren oder Schildern an den Wänden kam es zur Situation, dass die violetten Pilze tatsächlich einen der Abenteurer als eingekreist wahrnahmen und begannen, ihn zu attackieren. Dabei wirbelten ihre Tentakel wie wild durch die Luft und Xannry musste unmittelbar schmerzhafte Treffer einstecken. Das durch die Tentakel injizierte Gift machte ihm zusätzlich schwer zu schaffen, schwächte ihn merklich und veranlasste ihn umgehend, seine Strategie anzupassen.

Blankes Entsetzen war es nicht, aber doch recht große Enttäuschung über die himmelsschreiende Naivität mit der Xannry sämtliche Warnungen scheinbar in den Wind geschlagen hatte und nun von den Pilzen als Mahlzeit eingestuft wurde. Zeitgleich mit dem Bemerken der Kampfsituation kamen ihm aber trotzdem alle Begleiter zu Hilfe, Durrak wuchs dabei über sich hinaus und erschlug erst einen Pilz in Zusammenarbeit mit Xander, während Imogen einen von Yue-Fei verwundeten Pilz mit zwei gezielten Pfeilen erledigte. Selbst Zurgin schaffte es, nachdem er zunächst eine den veränderten Schallverhältnissen angepasste Geräuschkulisse zur Unterstützung der Moral komponieren musste, einen der Pilze, der von Xannry und Imogen bereits verwundet worden war, den Gnadenstoß per Armbrustbolzen zu verpassen. Nach weniger als einer Minute war der Spuk vorbei, aber Xannry leidete heftig unter dem bei schwächeren Wesen tödlichen Gift der Pflanzen. Zum Glück war Durrak zur Stelle und konnte erfolgreich die Zweitwirkung des Giftes von zwei der drei übel aussehenden Wunden verhindern, das Gift in der dritten Wunde jedoch schwächte Xannry so sehr, dass er durch den erlittenen physischen Schaden kurzzeitig sogar das Bewusstsein verlor. Durrak beschloß, Xannry auch noch eine magische Heilung durch Kord zu gewähren und so gelang es dem Knaben aus Dreamlode dem Tod ein weiteres Mal von der Schippe zu springen.

Als die Situation wieder unter Kontrolle war, beschlossen die Gefährten, die restlichen Fungi zu ignorieren, solange sie nicht in gefährliche Nähe kamen. Ein Hinweisschild, welches die Suche an den Wänden dann doch noch zu Tage bringt, stammt wohl aus längst vergangenen Zeiten und scheint den Weg zu einem „Aufgang zum Engelsgrab“ zu weisen. Eine Erkenntnis, die Zurgin dank seiner immens großen Lupe (und ein bisschen Magie) in kurzer Zeit aus den für den Rest völlig unverständlichen Runen extrahieren konnte.

Der Konvent der Anybys Velifane

Als die Entscheidung gefallen war, den Weg nach Nordosten einzuschlagen, aus dessen Richtung auch Spuren in Richtung der Treppe hoch nach Angelbury entdeckt worden waren, ging die Reise auch gleich weiter. Nachdem man dem Tunnel einige Zeit gefolgt war, trat aus einem Seitengang plötzlich Gemurmel hervor, was sich nach kurzem Halt und intensivem Lauschen als Gebet, nein, als klerikaler Zauberspruch herausstellte. Der Spruch hatte einen klaren Zweck. Er sollte ein Wesen von den Toten ins Leben zurückbringen. Die Neugier der Gruppe war geweckt, vor allem, da die Sprache, mit der der Spruch zelebriert wurden, den Abenteurern völlig unbekannt war. Unter größter Vorsicht schleichen sich die Sechs näher an die Quelle der Inkantation heran.

Zunächst war nicht genau klar, aus welcher Richtung denn nun diese ritualisierten Gebete kamen, da sich die Quelle hinter einem Gewinkel an Gängen und Biegungen befand, aber mit Hilfe von Durraks Dunkelsicht, Xannrys Fackeln und Imogens Spurensuchertalent schaffen es die Abenteurer ein in die unterirdischen Gänge integriertes, in etwa rundes Gebäude auszumachen. Als sie schon in unmittelbarer Nähe standen, lösten sich Imogen und Yue-Fei von der Gruppe und schlichen voran. Mit einer ebenso gelungenen wie lautlosen Rolle vorwärts übernahm Yue-Fei die rechte Flanke, während Imogen sich an der linken Wand entlang in Richtung des vermeintlichen Eingangs schlich.

Doch der Eingang stellte sich lediglich als Eingang zu einer Vorhalle heraus, die den Blick auf das Innere noch nicht freigab. Leider befanden sich bereits in der Vorhalle mehrere Gestalten, die nicht den Eindruck machen, ein Willkommenskomittee mit Häppchenplatten zu sein. Neben der im Halbschatten kaum sichtbaren spitzen Ohren fielen den beiden Frauen ein sehr dunkler Teint und spitze Armbrustbolzen ins Auge. Als aus dem Hintergrund weitere Bewegungen und zischendes Geflüster einsetzten, zogen sich Imogen und Yue-Fei sofort zurück, um die Lage zu besprechen.

Xander war begeistert von der Idee, auf dem Rücken von Fidelity helles Licht ins Gebäude zu tragen, wurde aber von den anderen überredet, es erst einmal ohne Licht und in Begleitung von Yue-Fei zu versuchen. Zur großen Überraschung aller gelang es auf diese Weise tatsächlich, ein Gespräch zu beginnen statt sofort einen tödlichen Kampf loszutreten. Die aus näherer Entfernung eindeutig als Dunkelelfen zu erkennenden Armbrustschützen schienen eine Art Vorhut oder eine Absicherung der eigentlichen Zeremonie zu bilden, denn sie erwiesen sich als durchaus an dem Gespräch interessiert, versuchten aber sehr bestimmt, die Gefährten nicht über eine bestimmte Grenze in den inneren Bereich eindringen zu lassen, sondern taktierten und diskutierten in gebrochener Gemeinsprache über völlige Belanglosigkeiten. Sogar Xander fiel auf, dass die bösen Jungs – inzwischen hatte er mehrere Gestalten eindeutig als böse erkannt – wohl auf Zeit spielten.

Sie wollen aber nicht verraten, was drinnen gerade passierte. Aber das hatte Durrak in Abstimmung mit Zurgin und Xannry inzwischen relativ eng auf einen göttlichen Zauber eingegrenzt, der dazu gedacht war, Tote wieder ins Leben zurück zu holen. Ein nur schwach unterdrückter Aufschrei, der sich später als „Es klappt!“ herausstellen sollte, setzte der Ungewissheit über die Vorgänge in diesem unterirdischen Tempel endgültig ein Ende.

Als Xannry, der sich im Laufe der Verhandlungen immer weiter in die Vorhalle hinein gemogelt hatte, einen kurzen Blick auf die am Ritual beteiligten werfen konnte, glaubte er kaum seinen Augen. Die Priesterin, die das Gebet für die Wiedererweckung einer auf einen Alter liegenden Dunkelelfin sprach, hielt einen Kelch in ihren Händen, einen Kelch, genau wie der, den Xannry zwar verzweifelt suchte, jedoch nicht im Geringsten damit gerechnet hätte, ausgerechnet hier einen solchen zu finden. Im gleichen Augenblick, als er den Kelch sah, versuchte er sich zu erinnern, wie ihn der Meister in Dreamlode immer benutzt hatte und ob es tatsächlich der selbe Kelch sein könnte. Er wollte noch näher an die Szene herantreten, wurde aber im gleichen Moment aus seinen Gedanken gerissen, da einer der Dunkelelfen sich laut und eindeutig räusperte, seine Armbrust hörbar klicken ließ und Xannry damit von seinem starren Blick befreite.

Zurgin, wohl durch das Klicken der Armbrust an seine eigentlich Mission erinnert, begann gleich, die Akkustik des unterirdischen Gewölbes zu ergründen und lief ohne weitere Absprachen auf die innere Wand der Anlage zu. Während zwei weitere Armbrüste klickten und Imogen aufs äußerste gespannt war, ob die Drow nun angreifen würden, sorgte ein Freudenschrei für eine völlig neue Situation. Offensichtlich hatte das Ritual geklappt und die tote Dunkelelfin war wieder zu Bewusstsein gelangt. Xander verzweifelte fast an der ethischen Frage, ob es nun eine gute Tat war, einen bösen Dunkelelfen wieder zum Leben zu erwecken oder eine böse Tat und ob er dagegen etwas unternehmen sollte, oder ob er hier einfach nur fehl am Platz war und beschloss daher, erst einmal abzuwarten. Inzwischen hatte sowieso Xannry die Gesprächsführung übernommen, da er den Kelch – er war sich inzwischen sicher, dass es der Kelch aus Dreamlode sein musste – nicht mehr aus den Augen lassen konnte.

Aus den Augenwinkeln hatte Xander noch gesehen, dass die Priesterin nicht diejenige war, die sich im Moment der Wiedererweckung für einen kurzen Augenblick freute, wie ein kleines Kind und mit den Worten, „Liebste, Du lebst!“ zu der bis dato Toten stürzte, aber bereits Bruchteile einer Sekunde später wieder die ernsten Gesichtszüge einer alles kontrollierenden Dunkelelfe annahm und sich den unerwünschten oder doch nur unerwarteten Neuankömmlingen widmete.

„Wer wagt es, Anybys Velifane bei ihrer Arbeit zu stören?“ Mit diesen Worten in fast akzentfreier Gemeinsprache und einem fordernden Gesichtsausdruck wandte sich eine adrette, kleingewachsene, schwarzhäutige Drow an die Abenteurer. Die hinter ihr am Boden liegende Dunkelelfe wurde inzwischen von einem weiteren heilendem Zauber, den die Zeremonie-Meisterin unter lautstarker Anrufung von Lolth über sie spricht, mit neuer Kraft erfüllt, erhob sich würdevoll vom Altar und kam mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck auf die Abenteurer zu.

Xannry begann furchtlos mit der Dunkelelfe zu verhandeln. Er war versessen, den Kelch, den die Priesterin während des Wiedererweckungsrituals benutzt hatte, zu bekommen und Anybys, die eindeutig die Führung der Dunkelelfen-Unternehmung innehatte, zögerte einen Augenblick, in dem sich die soeben von den Toten auferstandene der Diskussion anschloss. „Aber natürlich könnt ihr – eine entsprechende Gegenleistung vorausgesetzt – den Kelch als Bezahlung erhalten. Doch bevor ich mit Euch, entschuldigt die Ausdrucksweise, ‚dahergelaufenen Rumtreibern‘, auf einen Handel eingehe, der mich, angesichts des ideellen Wertes dieses Kelches für mich besonders bedauerlich, eben diesen kosten könnte, muss ich natürlich wissen, ob ihr der Aufgabe, die ich für Euch habe und den Kelch als Belohnung hätte, überhaupt gewachsen seid.“

Als Xannry nach zwei kurzen Seitenblicken von seinen Kameraden grundsätzliche Zustimmung signalisiert bekommen hatte, stellte er sich, über alle Maßen selbstbewusst, als „jeder Aufgabe gewachsen“ dar und konnte der Dunkelpriesterin durch sein selbstsicheres Auftreten sogar eine vollständige Genesung als Vorschuss auf die zu erledigende Qualifizierungsprüfung abtrotzen.

Der Auftrag

Diese bestand nach einigen Verhandlungsrunden, die die Details abklären sollten, in der Befreiung eines Gefangenen aus einem Außenposten der Dunkelelfen von Erelhei-Cinlu, welcher sich nur wenige Stunden Fußmarsch in südlicher Richtung befinden sollte. Ein Außenposten, der von einer Person befehligt wurde, die unter anderem schon Kontakt zu Gedankenschindern gehabt haben soll. Ein Außenposten, der wie ein unterirdischer Turm gestaltet war und als ein exterritoriales Gefängnis diente. Ohne über die möglichen Konsequenzen nachzudenken und getrieben vom unstillbaren Verlangen, den Kelch wieder zurück zu bekommen und nach Dreamlode oder dem was davon übrig war, zurückzukehren, willigte Xannry ein.

Die Person, die unbedingt befreit werden sollte, war ein Dunkelelf namens Viridran Despana, angeblich der Sohn der eben von den Toten auferstandenen Drow. Die übrigen Gefangenen interessierten die beiden Dunkelelfinnen nicht und die Abenteurer waren frei, mit ihnen zu machen, was sie wollten. Sofern sie es demnach zuwege brachten, Viridran zu Anybys Geliebter zu bringen, sollten sie in die Aufgabe eingeweiht werden, die ihnen – und damit wohl Xannry – den Kelch als Belohnung versprach.

Imogen meinte später, das es das erste Mal sei, dass sie davon gehört hat, dass Dunkelelfen ihre eigenen Leute einsperrten. Sie hatte die dunkelelfischen Gebräuche so verstanden, dass es für Versager keine Gnade gab und deren Weg normalerweise direkt auf den Opfertisch führte. Dieser Viridran musste irgendwas besonderes sein. Aber inwiefern jemand aus einer an und für sich bereits für Menschen, Elfen und Zwerge völlig unverständlichen Rasse noch so hervorstechen konnte, dass er eine Sonderbehandlung bekam, überstieg endgültig die rudimentären Kenntnisse der gesamten Gruppe.

Die Vereinbarung mit Anybys und ihrer Freundin war klar: Viridran gegen die Chance auf den Kelch. Also machten die Abenteurer sich auf den Weg und beschlossen, vor dem gefährlichen Einsatz noch eine etwas längere Ruhephase einzulegen, um die bereits erlittenen Wunden auszuheilen, damit sie keinesfalls zum Stolperstein der gestellten Aufgabe werden konnten. Als sie sich in einer Nebenhöhle in der Nähe der Treppe zu einem Nachtlager organisierten, fiel Durrak ein, dass die Fähigkeiten eines magischen Ringes aus dem Haus von Raidath noch gar nicht erforscht worden waren und da sich Zurgin erst kürzlich mit Perlen für genau diesen Zweck eingedeckt hatte, wurde der Barde sogleich zu dieser Fleißarbeit überredet. Es stellte sich – nach Anwendung von etwas Magie – heraus, dass der Ring seinem Träger beinahe spinnenhafte Kletterfähigkeiten verleihen konnte. Nach eingehender Diskussion wurde beschlossen, dass Yue-Fei den Ring erhalten sollte.

Ein guter Plan

Die „Nacht“, wobei man unter Tage kaum von einer Nacht im klassischen Sinn reden konnte, verlief zum Glück ereignislos, es ließen sich weder Spinnen noch gefräßige Pilze blicken, die unter Umständen Schwierigkeiten hätten machen können. Am Morgen machte sich der Trupp mit etwas mulmigen Gefühlen auf in Richtung Thanarim, wie der Außenposten der Drow genannt wurde.

Imogen fragte unschuldig in die Runde: „Und wie wollt ihr jetzt da rein kommen, ganz ohne Blutvergießen?“ Und bekam von Xannry prompt die Antwort: „Wieso ohne Blutvergießen, wir greifen frontal an, damit rechnen die nie. Das Überraschungsmoment ist ganz auf unserer Seite und Zeit sparen wir auch noch damit.“ „Aber das ist nicht der Weg des Morninglords, außerdem wäre es sehr undiplomatisch“ fiel Xander als Argument ein. Yue-Fei bemerkte, dass sich eine längere Diskussion anbahnte und beschloss, lieber die Dunkelelfen zu beschatten und später wieder zur Gruppe zu stoßen. Sie sagte noch schnell Zurgin Bescheid, dass sie spätestens in zwei Tagen wieder in der Pilzhöhle auf den Rest warten wollte, dann war sie im Schatten verschwunden.

„Also, eigentlich interessieren mich ja vor allem die besonderen akustischen Eigenschaften eines unterirdischen Turmes, es war doch ein Turm von dem diese Anybys sprach, oder?“ Durrak wollte Zurgin schon mürrisch antworten, dass unterirdische Gewölbe in turmform völliger Blödsinn seien, als Imogen meinte: „Können wir uns eigentlich in dieser Dunkelheit unbemerkt anschleichen? Können wir unsichtbar werden? Und lautlos?“ Durraks Kommentar: „Ich brauch kein Licht.“ wurde von Zurgin mit der Bemerkung: „Lautlos ist kein Problem, das kann mein Silenzinator für eine über 10 Meter durchmessende Fläche, wenn ich ihn ein wenig optimiere vielleicht sogar 20 Meter.“ ergänzt. „Aber wenn wir da mit Licht ankommen, hilft uns der beste Stillemechanismus nix. Da sollten wir uns lieber überlegen, ob wir uns als Freunde, als Sklavenhändler oder als Gefangenentransport ausgeben wollen.“ stellte Xander nüchtern fest. Xannry wollte nach ausführlicher Diskussion nur noch den Anschein einer friedlichen Lösung wahren, um nach dem genehmigten Eintreten seine Argumente mit Nachdruck und Überraschungsmoment zum Ausdruck bringen zu können, aber Imogen und Xander argumentierten mit der Vernunft der Drow und verliehen damit möglicherweise lediglich ihrer gemittelt nur unterdurchschnittlichen Intelligenz Audruck. Xannry und Zurgin, die Intelligenzbestien der Gruppe, hatten dagegen nicht die nötige Weisheit, um durchschlagende Erkenntnise zu erzielen. So musste letztlich Durrak, der im Übrigen sowieso ständig darauf hinwies, wie hilflos die Gruppe ohne seine fortwährenden Interventionen und Dienste wäre, wieder einmal die Diskussion zu einem jähen Ende bringen, indem er einfach beschloss, ohne weitere Diskussionen Richtung Thanarim zu marschieren.

Erstkontakt

Mit einem Schlag waren die anderen an seinen Fersen und – obwohl sie noch lange nicht genug diskutiert hatten – wenigstens bei der Stange, um nichts zu verpassen. Und Durrak hatte – obwohl er das Licht, wie erwähnt, gar nicht gebraucht hätte – unterhaltsame Wanderbegleitung. Das Licht wurde allerdings mit einem Schlag ausgelöscht, gerade als die Gefährten am Ende des Fackelscheins das Ende ihrer Wanderung in Form von einer Türe und einigen Kutschen schemenhaft wahrnahmen. Ein unglaublich starker Windstoß schlug ihnen entgegen, löschte die einzige Fackel der Gruppe und legte Zurgin mit einem Ruck flach auf den Boden. Während Xannry geistesgegenwärtig mit „tanzenden Lichtern“ wieder für etwas Erhellendes in der kalten Dunkelheit sorgte, zischte Durrak: „Mehrere Dunkelelfen mit Armbrüsten, etwa 60 Fuß vor uns.“ Als die ersten Bolzen bereits einschlugen und Zurgin freiwillig am Boden liegen blieb, um sich noch schwerer zu treffen zu machen, rief Xander offenbar aus Verzweiflung: „Haltet ein, wir sind keine Feinde, wir wollen nur handeln. Wir kommen mit einem heiligen Mann des Morninglords.“ Ob es die Verwirrung ob eines Gottes, von dem die Drow noch nie gehört hatten oder doch die ans Göttliche grenzende Selbstsicherheit Xanders waren, blieb im Dunklen, aber das Klicken der Armbrüste endete und Xander bekam eine Antwort. „Wir heute erwraten keine Gast. Ihr geht weg.“ Was dann folgte, war ein kurzer, aber erfolgreicher Austausch mit der Vorhut des Außenpostens, die nach einigen Minuten mit einem Angebot zurückkamen, das niemand erwartet hatte. Offenbar hatte die Leitung der Festung Interesse an Musikinstrumenten bekundet und für den nächsten Tag (oder das was man unter der Erde unter einem Tag verstand) einen Termin in Aussicht gestellt, den die Gruppe auch verblüfft akzeptierte und zunächst einmal den Rückweg einschlug. Um statt der erloschenen Fackeln Licht für den Rückweg zu haben, verwendete Durrak einen Zauber, mit dem er Xanders Rüstung in hellstem Schein erstrahlen ließ.

Als die Gruppe dann, durch den Lichtzauber mit guter Sicht bestellt, eine vorher unbemerkte Abzweigung entdeckte, konnte Durrak seine Neugier nicht zähmen und schlich sich, so gut das in einem Brustplattenpanzer eben ging, ein Stück weit in den Gang hinein, der nach einer scharfen Biegung in eine Tropfsteinhöhle mündete. Schon nach wenigen Metern entdeckte er ein grausames Spektakel. Ein Stalaktit war wohl von der Decke abgebrochen und hatte eine Gestalt durch die schiere Wucht des Aufpralls unter sich begraben und dabei wohl sehr stark verletzt oder sogar getötet. Als der Stalaktit sich bewegte und Durrak schmatzende Geräusche vernahm, machte er jedoch flugs kehrt und informierte erst einmal den Rest der Abenteurer. Die waren sofort mit ihm zusammen unterwegs, um das vermeintliche Opfer vielleicht noch zu retten und stürzten sich auf den steinigen Angreifer, der völlig hilf- und wehrlos unter den gnadenlosen Attacken das Zeitliche segnete. Noch während der Piercer die letzten Atemzüge nahm, bewegten sich weitere Stalaktiten an der Decke entlang und als Durrak sah, dass einige von ihnen Augen besaßen, waren alle Warnlampen an. Kurz darauf schwebte der erste Darkmantle bereits auf Xannry herab, den Imogen aber mit zwei schnellen Pfeilen noch im Anflug abschoss. Mit zwei weiteren dieser Sorte machten die Kameraden ebenfalls kurzen Prozess und waren bass erstaunt, einen Dunkelzwerg als Opfer des Piercers zu identifizieren.

Als Durrak eine abfällige Bemerkung über ihn machte wurden sofort Rassismusvorwürfe gegen ihn laut, die jedoch nahtlos mit Imogens Hass auf Dunkelelfen relativiert wurden. Dabei hatte eigentlich niemanden das Opfer an sich interessiert, sondern die Neugier nährte sich aus der Entdeckung des schwachen Schimmers eines magischen Gegenstandes, der sich letztlich als Heiltrank herausstellte. Alles nur Gier! Dafür bekam der Unterweltzwerg von Xander immerhin eine ordentliche, Beerdigung nach Sitte und Brauch von Lathander, nachdem Xannry noch ein Tuch bei dem Toten gefunden hatte, welches er gleich als das Tuch erkannte, mit dem immer der Kelch aus seinem Dorf eingewickelt wurde, bevor er im Schrein weggesperrt wurde. Wie klein doch die Welt ist!

Wie kam der nun tote Dunkelzwerg zu einem Tuch, was zu dem Kelch gehört, den vor nicht einmal 24 Stunden eine Dunkelelfin für die Erweckung einer weiteren Drow als magischen Fokus benutzt hatte? Einen Kelch, den Xannry geschworen hatte, wiederzubeschaffen? Und dabei keine Rücksicht vor ein paar dahergelaufenen Handarmbrüsten mit dunkler Haut zu nehmen. Nur wie sollte er die gerade vor ihm liegende Aufgabe am effektivsten bewältigen? Vielleicht erst einmal den Todesort des Zwischenbesitzers nach weiteren Indizien absuchen? Da das Suchen nach weiteren Schätzen auch im Interesse der restlichen Gruppe zu sein schien, war man sich schnell einig, die ganze Tropfsteinhöhle einer gründlichen Durchsuchung zu unterziehen. Nach einigem Herumstöbern wurde schnell klar, dass hier intelligente Kreaturen einfache Landwirtschaft betrieben und die feuchte Höhle für den Anbau von essbaren Pilzen benutzten. Auf der Suche nach einer etwas besser versteckten Nebenhöhle für ein geschütztes Nachtlager entdeckte Durrak kurze Zeit später einen schmalen Durchgang, der in eine weitere, scheinbar abgeschlossene Höhle führte. Als er „nur mal kurz nachschauen“ wollte, wurde er dann aber ziemlich übel überrascht.

Mit dem linken Bein blieb er für einen Moment an einem Vorsprung stecken, stolperte und trat dabei mit dem rechten Bein in ein Spinnennetz, was sich als erstaunlich klebrig herausstellte. Als er versuchte, sein Bein zu befreien, flog ein weiteres Netz auf ihn zu und begrub ihn unter sich. Auch dessen Fäden waren unglaublich widerstandsfähig und Durrak mochte sich die Spinne, die diese Fäden gewoben hatte, lieber gar nicht vorstellen. Aber das brauchte er auch nicht, denn sie kam bereits mit leisen Schritten auf ihn zu, als er das Gift, was an den Fäden klebte und bereits durch den Kontakt mit seiner Haut Wirkung entfaltete, verspürte und innerhalb weniger Sekunden die seltsamsten Halluzinationen erleben musste. Zum Glück hatten Xannry und Zurgin Durraks Alleingang beobachtet und als der Zwerg erst vor Überraschung und dann vor Schmerz aufschrie, waren sie bereits an dem Durchgang zur Stelle und versuchten, ihren neuen Gegner ins Visier zu nehmen.

Xannry blickte kurz in die dunkle Höhle und beschloss nicht lange zu fackeln, sondern eine Fackel anzuzünden, denn Durrak durfte auf keinen Fall in den Spinnweben kleben bleiben und ein bisschen Wärme hat dem Zwerg noch nie geschadet. Imogen begann sofort, als sie Spinnenbeine zu sehen bekam, diese unter Beschuss zu nehmen. Xander stürmte herbei und an Xannry vorbei, um dem gefährlichen Spinnerich die Größe des Morninglords zu beweisen, wurde aber nach einem kurzen Intermezzo auch von einem fliegenden Netz zunächst kaltgestellt. Zurgin, klein wie er war, musste sich nicht mit allen anderen um den Haupteingang drängeln, sondern zwängte sich, nachdem er ein motivierendes Liedchen angestimmt hatte, an einer Stalagmite vorbei in eine optimale Schussposition und begann, Bolzen auf die Spinne zu schießen. Imogen bekam ebenfalls deren klebrige Fäden ab und während es für kurze Zeit so aussah, als ob es angesichts der unglaublich zugfesten Spinnweben nur eine Frage der Zeit war, bis alle Abenteurer unter einem ebensolchen Gefängnis eine Spinnenmahlzeit werden sollten, schaffte es Durrak plötzlich, sich aus dem Netz loszureißen, Xannry hatte seine Technik, die Spinnenfäden ohne Rücksicht auf den darin Verfangenen mit seiner Fackel wegzubrennen, perfektioniert und zerstörte mittlerweile das dritte Netz, da holte Xander zu einem mächtigen Schlag aus und gemeinsam mit einem Pfeil aus Imogens Vorrat und einem letzten Bolzen von Zurgin gelang es, die Netze werfende Terrorspinne zu töten. Von geradezu essentieller Bedeutung war dabei, dass es – außer Durrak, der einen miesen Tag erwischt hatte – allen gelang, der unheilvollen psychedelischen Wirkung des Gifts, mit dem die Netze eingeweicht waren, zu widerstehen. Zurgin mochte sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn alle eine solche Verwirrung ereilt hätte, wie Durrak, der aber glücklicherweise die meiste Zeit nur babbelnd herumstand und vor Angst floh und einmal sogar versuchte, seinen eigentlichen Gegner zu bekämpfen. Unter den Überresten vergangener Mahlzeiten fanden sich dann doch noch ein paar magische Utensilien, die die Abenteurer gierig untereinander aufteilten.

(K)eine ruhige Nacht

Den Rest des „Tages“ verbrachte Durrak, da er der Einzige mit der Gabe der Dunkelsicht war, in völliger Finsternis am Eingang der Tropfsteinhöhle, und beobachtete den – nach derzeitigem Wissen – einzigen Zugang zum Außenposten, um verdächtige Truppenbewegungen, sofern sie denn stattfinden sollten, rechtzeitig zu entdecken und darauf reagieren zu können. Allerdings stellte sich die Wacht als extrem langweiliges Unterfangen heraus. Kurz bevor er jedoch bereits aufgeben und zu den anderen, von denen zumindest Xannry und Xander in bester Whisky-Laune zu sein schienen, zurückgehen wollte, erspähte er doch noch eine Gruppe von fünf Dunkelelfen, die sich vom Außenposten Richtung Angelbury auf den Weg machten. Gespannt wie ein Flitzebogen, ob die Jungs Verstärkung holen wollten, blieb Durrak doch länger auf seinem Posten, als er ursprünglich vor hatte. Und tatsächlich kam die Gruppe – jedoch ohne Verstärkung – nach etwa zwei Stunden wieder zurück, wurde an der Abzweigung aber plötzlich langsamer und unterhielt sich angeregt. Es schien Durrak, als ob sie sich nicht einig wären und keiner eine wichtige, aber unbeliebte Aufgabe ausführen wollte. Als sich jedoch nach kurzem Disput eine Stimme mit Befehlston erhob, machte sich eine der Gestalten murrend auf den Weg, ein paar Pilze zu pflücken.

Durrak hielt den Atem an, als der Drow an ihm vorbei ging und offensichtlich zu verärgert ob seiner Verdammung zum Sonderdienst war, als dass er den miserabel versteckten Zwerg bemerkt hätte. So gelang es Durrak, den Dunkelelfen zunächst in sicherem Abstand zu beobachten und die möglichen Fluchtwege des Kriegers zu bewerten. Als er sich schon einen Plan zurecht gelegt hatte, wie er den Drow am besten überraschen könnte, trat er auf einen losen Stein und verriet sich. Der Dunkelelf blickte um sich und entdeckte diesmal Durrak sofort. Mit der einen Hand griff er nach seiner Handarmbrust, die andere tastete nach dem auf den Rücken geschnallten Schild. Als Durrak statt sich der Aufforderung des Drow zu beugen und sich zu ergeben, begann, mit anschwellender Stimme in Diskussionen zu verfallen, zögerte der Dunkelelf nicht länger und schoß dem etwas überraschten Durrak in den Oberschenkel. Der Zwerg biß sich auf die Zähne, widerstand dem Schlafgift und rief erneut, diesmal halb aus Schmerz, halb aus Zorn, um Unterstützung und stürmte auf den Drow zu, um ihn anzugreifen. Das Langohr reagierte seinerseits mit einem Griff an den Gürtel, von dem er einen Trank ergriff und in einem Schluck hinunterstürzte. Durrak bemerkte keine sofortige Veränderung, aber immerhin hatten seine Kameraden inzwischen Wind von dem Eindringling bekommen und sich auf den Weg gemacht.

Imogen hatte nicht nach ihrem Bogen gegriffen, sondern direkt das Langschwert ausgepackt, um mit der Breitseite den Dunkelelfen einfach bewusstlos zu schlagen, denn sie hatte immer noch die Hoffnung nicht verloren, mit ihren dunkelhäutigen Artverwandten vernünftig reden zu können. Als es Xannry mit seinen fliegenden Gewichten ebenfalls in Reichweite des Dunkelelfen geschafft hatte und Schritte weiterer Abenteurer unüberhörbar durch die Höhle schallten, ergriff der Drow die Flucht.

Mit schnellen Schritten manövrierte er Xannry und Durrak aus und schaffte es beinahe bis zum Ausgang, bevor er von einem immer noch riesenhaften Durrak eingeholt wurde. Zurgin hatte es inzwischen geschafft, die Szene in den Blick zu bekommen und verbreitete direkt am Ausgang der Höhle ein Feld voll glitschigen Fettes, das der Dunkelelf jedoch geschickt meisterte. Durch seine schnellen Bewegungen und aufgrund seiner unerwartet stabilen Rüstung war es der Gruppe noch nicht gelungen, ihm ernsthafte Verletzungen zuzufügen und alles schien, als ob es der Drow schaffen sollte, das Weite zu suchen. Aber Zurgin ließ geistesgegenwärtig das Fett wieder trocknen und so konnten Xannry und Durrak dem Drow auf den Fersen bleiben und dank eines mit dem Mut der Verzweiflung ausgeführten Sturmangriffs von Durrak gelang es den Abenteurern in letzter Sekunde den potentiellen Verräter ihrer wahren Absichten zur Strecke zu bringen und zu verhindern, dass die Mission „Befreiung des Gefangenen“ scheiterte, noch bevor sie richtig begonnen hatte. Als sich Durrak zu dem Drow hinunterbeugte, bemerkte er, dass dieser sogar noch am Leben war und ihm wohl durch Imogens Breitseite und die anderen Verletzungen einfach die Luft weg geblieben war und er deshalb das Bewusstsein verloren hatte. Schnell, bevor aus Richtung des Außenpostens etwas bemerkt werden konnte, trugen die Kameraden den Bewusstlosen in die Spinnenenklave am Ende der Tropfsteinhöhle, um ihm die schweren Gegenstände abzunehmen, die dieser sicher nicht mehr brauchen würde, wenn sie mit ihm fertig waren.

Und so begann das Verhör.

Das Verhör

„Wer bist Du?“ Zurgin wischte dem Dunkelelfen mit einem feuchtem Leuchtpilz über das Gesicht und stellte die erste, absehbare Frage. Der Drow antwortete mit einem verächtlichen Grummeln, was sich in Gemeinsprache etwa wie „Kunrh“ anhörte und so hatten die Inquisitoren einen Namen gefunden. Während Zurgin etwas naiv dem Dunkelelfen die Freiheit versprach, sofern die Antworten ausreichend glaubwürdig und hilfreich wären, wollte Xander, wenn nötig mit Gewalt, dem offensichtlich kaum Erleuchteten (er hatte ja nicht mal helle Haut) unbedingt die Flamme des Lichts in Gestalt des Morninglords zukommen lassen. Seinen Anblick mit leuchtender Rüstung und der überzogen optimistischen Gesprächsführung, sofern die Belange von Lathander stets im Blick blieben, werteten seine Begleiter allerdings nur bedingt hilfreich. Trotzdem gelang es dem Paladin schließlich, einige verwertbare Informationen aus dem Gefangenen herauszuholen. Neben einer Skizze des Grundrisses des Aussenpostens mit seinen drei Räumen erfahren die Kameraden auch einige zunächst wenig erquickende Details über die derzeitige Kommandeurin des Turms.

Ariella Benrae sei eine mittlerweile nicht mehr blutjunge Dunkelelfe, die von großem Ehrgeiz angetrieben, aber mit nur wenig Talent versehen, selbst bei ihrer eigenen Familie (Tormtor) in Ungnade gefallen war und schließlich ihre letzte Chance bekommen hatte, sich in der Gesellschaft der Drow zu bewähren, indem sie den Aussenposten Thanarim verteidigen sollte. Eine Aufgabe, die kaum an Langeweile zu überbieten war, da ein reiner Gefängnis-Außenposten, so weit entfernt von Erelhei-Cinlu, problemlos auch ohne weibliche Unterstützung hätte betrieben werden können. So sahen es auch die Drow-Soldaten, die von Ariella befehligt wurden. Während diese aber regelmäßig ausgetauscht wurden, war die Anführerin offenbar kurz vor dem wahnsinnig werden. Scheinbar hatte eine Begegnung in der Dunkelheit, von der sie ein seltsames Medaillon zurückgebracht hatte, ihre Verwandlung gestartet. Seit diesem Tag „verbrauchte“ sie mehrere Gefangene pro Monat in seltsamen Ritualen, begann, Instrumente zu spielen, beschäftigte sich in ihren neu eingerichtetem Labor mit der Herstellung von Waffen und Rüstungen und erlernte in unvorstellbarer Geschwindigkeit neue Fähigkeiten bis hin zu Magie. Aufgrund der schnell eintretenden Übereinkunft, dass die Gefangenen ja – außer dem einen Dunkelelfen – nur aus Oberweltrassen bestehen können, verurteilen fast alle die Kommandeurin des Außenpostens in Abwesenheit zum sofortigen Tod. Selbst der Paladin und die anderen, überwiegend rechtschaffenen Gefährten redeten offen über die Art des Todes, die sie der Dunkelelfin angedeihen lassen wollen, kamen aber zunächst zu keiner abschliessenden Einigung.

Zumindest Kunrh hatte inzwischen authentische Angst, dass Ariella die Bodenhaftung vollends verlieren könnte und dann nicht nur das Fortbestehen des Außenpostens, sondern auch das Leben der Militärs hochgradig in Gefahr sein könnte. Als die Abenteurer diese latente Angst erkannt hatten, beschlossen sie, ihn als Doppelagenten einzusetzen und ihn unverletzt in den Turm zurück zu schicken, auch wenn die Gefahr bestand, dass ihr wahrer Plan dadurch verraten würde. Schließlich weihten sie Kunrh in den Plan ein, einen Gefangenen zu befreien und der Drow willigte ein, ihnen bei diesem Plan beizustehen, als er die Zusage bekam, den Gefangenen selbst an eine hochrangige Drow, die ihn zu treffen wünschte, übergeben zu dürfen. Ein derart unerwarteter und mit akzeptablem Risiko, aber hohem Belohnungspotenzial augestatteter Verrat war so ziemlich das Beste, was einem einfachen Drow-Soldaten in einem abgelegenem Außenposten passieren konnte und Kunrh träumte wohl schon von einer politischen Karriere, als er sich mitsamt seiner Ausrüstung und einem Sack Pilzen auf den Weg zurück nach Thanarim machte. Im Gepäck hatte er nicht nur seine eigenen Habseligkeiten, sonder auch ein vorher ausgehandeltes Codewort, was den Überraschungsangriff am nächsten Tag triggern sollte. Die Vorschläge „Es wird laut!“, „Morninglord“ und „ich gehe jetzt!“ werden schließlich von dem ultimativen Schlüsselwort „Barockorgel“ ersetzt. So weit, so gut.

Die Barockorgel des Chaos

Der Rest der „Nacht“ verlief glücklicherweise ohne weitere Störungen, so dass die Stimmung am nächsten Morgen den Umständen entsprechend entspannt war. Mit entschlossenem Schritt gingen die Kameraden auf Thanarim zu, nicht ohne sich ein wenig auf die bevorstehende Auseinandersetzung vorzubereiten. Xander durfte dank Zurgin sämtliche Sprachen der bekannten und unbekannten Welt verstehen und sprechen lernen, der Rest erhält einen Schutz vor Bösem und damit ein wenig Sicherheit gegen möglicherweise versteckte Angreifer. Als die Gruppe sich dem Eingang wie tags zuvor näherte, empfing sie diesmal kein Armbrustbolzensperrfeuer, sondern ein einfaches „STOPP!“ Xander trat nach vorne und meldete die Gruppe an, worauf der Dunkelelf zur Tür ging und mit Hilfe eines Codeworts, was Xander dank großer Weisheit (sic) und seinem Sprachenverständnis gerade noch verstehen konnte, die Tür ins Innere öffnete. Nach kurzer Zeit erschien er wieder und vermeldete, dass zwei Abenteurer den Turm betreten durften und von Ariella empfangen werden würden. Natürlicherweise waren die Abenteurer mit dieser Absprache ganz und gar nicht einverstanden und schafften es, dank vehemmenter Verhandlungstiraden, einer dritten Person den legalen Zutritt zu gestatten. Durrak, Xander und Zurgin waren die Auserwählten, die schließlich den Zugang bekamen.

In Begleitung der Drow Wache begaben sie sich ins Innere, wo sie zunächst durch einen Vorraum, der von mindestens zwei, vielleicht drei großen Spinnen bewohnt war, geführt und schließlich im Hauptraum des Gebäudes von einer dunkelhäutigen Priesterin in einem Schienenpanzer mit kleinen Eisenketten neben den obligatorischen Spinnen als Insignien empfangen wurden. Zurgin erkannte, dass dieses Symbol sie als Angehörige des Hauses Vae auszeichnete. Vae war ein Haus, was schon länger verdächtigt worden war, teilweise offen Krieg mit der Bevölkerung der Oberwelt zu führen. „Willkommen in meinem bescheidenen Anwesen, verehrte Handelnde. Welche Geschenke habt ihr mir mitgebracht?“ Also begann Zurgin, sein letzte Nacht in höchster Eile zusammengebasteltes Musikinstrument zu beschreiben, dann fiel ihm auf, dass bisher in keinster Weise von einer Bezahlung die Rede war. Und die Körperhaltung der Priesterin ließ wenig Platz für Spekulation, dass sie ihre starke Position auszunutzen bereit war. Sie schien allerdings aufrichtig interessiert an dem Instrument, so dass ein wenig Spielraum bestand, den richtigen Zeitpunkt für die geplante, überraschende Befreiungsaktion zu bestimmen. So ergriff Xander das Wort und redete über Lathander in den leuchtendsten Tönen, erreichte aber nur begrenztes Interesse. Selbst als Ariella Interesse heuchelte, spielte sich dieses in engen Grenzen ab und die Unterredung verlief anders, als Xander sich das vorgestellt hatte. Trotzdem oder gerade deswegen steigerte er sich geradzu in einen Rausch an Lobeshymnen, gerichtet an den wahren, einzigen Morninglord, die an Ariella jedoch abprallten, wie schlecht gezielte Armbrustbolzen. Als Zurgin während seiner Demonstration des Musikinstruments seine Mut inspirierenden Worte in die improvisierte Melodie eingewoben bekam, formte er beherzt einen Spruch, der die Dunkelelfengarde bezauberte und sie dazu bewog, aus freien Stücken über eine Barockorgel zu sprechen. Damit war für Kunrh, der den Raum ebenfalls betreten hatte, die Situation klar und die meisten Dunkelelfen etwas überrascht, als plötzlich das Chaos ausbrach.

Kurzer Prozess

Kunrh, der auf das Stichwort gewartet hatte, erstach mit dem Rapier in seiner linken Hand die verdutzt dreinblickende Wache zu seiner Linken, während er mit der rechten Hand seine Handarmbrust auf Ariella abfeuerte. Zurgin nahm eine taktisch günstige Position unter dem Tisch ein, während sich Durrak von Kord Unterstützung für den beginnenden Kampf erbat. Xander ergriff die letzte Gelegenheit, seine religiöse Agenda über die Schicksale der Drow zu bringen und rief: „Folgt dem Morninglord oder sterbt!“ und zog seine Waffe. Dank Zurgins Geistesgegenwart versuchten die drei im Kampf verstrickten aber auch, die anderen über den Ausbruch des Kampfes zu informieren und der bezauberte Drow wurde mitsamt seiner Botschaft in Richtung Ausgang geschickt.

Yue Fei hatte diesmal die empfindlichsten Ohren und meinte, das Schlüsselwort „Barockorgel“ eindeutig vernommen zu haben. Als sie ein zweites Mal die surreal klingende Botschaft vernahm, brüllte sie zu Xannry und Imogen: „Hey, drinnen brauchen sie die Barockorgel!“, wodurch auch draußen die Zeichen auf Kampf standen und die drei völlig ahnungslosen Drow Wachen keine Chance hatten. Zwei von ihnen starben schon in den ersten Sekunden des Kampfes, einer wurde verwundet, aber überlebte den ersten Angriff noch.

Drinnen versuchte Ariella mit ihrer ersten Aktion nach Erkennen des Verrats Verstärkung zu rufen, ihrer Profession folgend natürlich mit einer Beschwörung. Zurgin versuchte, diesen Spruch nach seiner taktischen Ortveränderung sogleich mit seinem Silenzinator zu unterbinden, reagierte jedoch um Bruchteile von Sekunden zu langsam und eine weitere große Spinne erschien, die sogleich in den Kampf eingriff.

Draußen schnappte sich Yue Fei den Überlebenden und packte ihn in den Schwitzkasten. Noch während sie ihn zur Türe schleppte, zischte sie ihm zu: „Mach die Tür auf, sonst…“ Ihre Drohung schien den Schmerz gewohnten Dunkelelfen jedoch nicht besonders zu beeindrucken, er ignorierte ihren Wunsch zunächst, woraufhin Xannry und Imogen angestrengt überlegten, ob es denn einfacher wäre, die Türe aufzubrechen oder den Gedanken an die Unrechtmäßigkeit von Folter für einen kurzen Augenblick zu verdrängen und den Drow zu seinem, bzw. ihrem Glück zu zwingen.

Drinnen versuchte Durrak die weiteren Dunkelelfen unschädlich zu machen und Xander hatte scheinbar gerade eine zweite Rede über Licht begonnen, als Zurgin endlich Ernst machte und den Feuerballstab auspackte. Kurz darauf brannte die Hütte. Von Ariellas Unterstützern war von einem weiteren nicht mehr als verbrannte Haut zu sehen, aber die Chefin persönlich hatte sich inzwischen nach oben verzogen. Der Versuch von Durrak und Xander, die übrigen Gegner durch Magie weiter auszubremsen, scheiterte an dem Feuerchaos und der allgemeinen Verwirrung. Als Xander versuchte, wenigstens sein Schwert in Stellung zu bringen, fiel ihm auch das noch aus der Hand. Jetzt wäre doch etwas Unterstützung von draußen nicht ganz verkehrt gewesen.

Jedoch klappte auch dort nicht alles wie gewünscht und der Dunkelelf weigerte sich nach wie vor vehement, den Dietrich zu spielen und Imogen beschloss endgültig, ihre Vorbehalte gegen angemessene Brutalität zu überwinden, zog ihr Schwert und lief los in Richtung Yue Fei.

Zurgin, der von der Spinne bedrängt und von einem Armbrustbolzen mit einem Schlafgift bedacht worden war, verlor zum ersten Mal das Bewusstsein und Durrak benutzte, nach einem Hinweis durch Kunrh, einen Spruch Kords, um den Gnom am Leben zu halten, während Xander sein Schwert vom Boden aufhob und sich den restlichen Drow zuwandte. Aus dem Loch in der Decke ereilte die Helden als nächstes ein unheiliger Pesthauch und wieder traf es Zurgin am heftigsten. Durraks Wunsch, endlich auch Unterstützung zu bekommen, blieb jedoch noch unerhört, da sich die Türe immer noch auf magische Weise der Öffnung widersetzte und die Überzeugungsversuche von Yue Fei immer noch nicht die passenden Argumente beinhalteten.

Erst als Imogen mit ihrem Schwert die Drohkulisse deutlich anhob, gelang es Yue Fei endlich, dem Drow das Öffnungswort zu entlocken und die Türe schwang auf. Als erstes sprang Xannry durch die Tür und noch während er der einzelnen Wache zurief „Ergib dich!“, wurde ihm klar, dass für lange Gespräche keine Zeit war und er beschloss, direkt mit seinen Gewichten zu sprechen. Ein echter Wirkungstreffer sorgte umgehend für klare Verhältnisse.

Während Xannry, Yue Fei und Imogen auf dem Weg nach drinnen waren, versuchte Zurgin, seine Sphäre der Stille dorthin zu bewegen, wo sie ihre volle Wirkung auf die immer noch gefährliche Drow Ariella Benrae entfalten konnte. Er gab den Mitkämpfern zu verstehen, dass der Schemel dringend nach oben muss und Kunrh schaffte es, diese Aufgabe zu erledigen. Durrak brachte einen weiteren Soldaten ums Leben und wandte sich dem letzten verbliebenem Streiter auf Seiten Ariellas zu, während sich die Verstärkung im Vorraum mit mehreren Spinnen herumschlagen musste.

Imogen feuerte gleich zwei Pfeile auf die gleiche Spinne, die ihren Angriff danach mangels Lebenssaft bereits im Anflug abbrechen musste. Die zweite stürzte sich auf Xannry und versenkte ihre Kieferklauen in seinen Oberarm. Yue Fei konnte ihren Gegner mit schnellen Fußtritten und einigen Schlägen erstmal in seiner Ambition bremsen.

Durrak musste inzwischen deutlich einstecken, besann sich aber auf seine Stärken und streckte den letzten Drow mit einem wuchtigen Hieb zu Boden. Da der Raum nun endlich frei von humanoiden Gegnern war, versuchte er als nächste Aktion den Aufzug zu benutzen. Während er im oberen Raum verschwand kam Yue Fei als erste bei den Kameraden an und lief direkt in die immer noch herumkrabbelnde Spinne, die sie auch gleich mit einem wütenden Angriff bedachte. Während Durrak auf der Suche nach Ariella die letzen beiden Wachen ausschalten konnte, verschwand die Spinne wie von Geisterhand und mit Ausnahme des Verräters und des Dietrichs waren alle Dunkelelfen bewusstlos oder tot. Ariella aber war verschwunden. Zurgin war der Meinung, möglicherweise die Inkantation eines Nebelform Spruchs gehört zu haben, aber die exakten Umstände des Verwschwindens der Drow blieben den Kameraden verborgen.

Dafür war das Ziel ihrer Anstrengungen, die Befreiung eines gefangenen Drow, jetzt ein Klacks. Das Schloss des Käfigs, in dem die Zielperson saß, hielt Durraks gezieltem Schlag mit seinem Schwert keine Sekunde stand und der Dunkelelf trat, sichtlich enttäuscht, von einem Zwerg befreit zu werden, aus dem Käfig und blickte leicht nervös, aber erwartungsvoll in die Gesichter der Abenteurer.

Der Gefangene wird gesprächig

Xander und Xannry übernahmen wieder einmal die Gesprächsführung mit dem Dunkelelfen und fanden schnell heraus, dass Khelar aus dem Haus Despana, wie sich der Drow vorstellte, vor nicht allzu langer Zeit eine wichtige Position in den Reihen des Hauses Despana inne hatte, was seine Mutter angeführt hatte. Er war mit seiner Truppe von einem guten Dutzend Drow für die Sicherheit der privaten Räumlichkeiten der Matrone zuständig gewesen, ohne diese jedoch betreten zu dürfen. Ob er aufgrund eines tiefer gehenden Verrats von seiner Position abgezogen worden war und deshalb sich die Möglichkeit eines Attentats auf Evelyn Despana offenbarte oder er aufgrund eines erfolgreichen Giftanschlags auf seine Mutter, den zu verhindern sein Job gewesen wäre, die Strafe antreten musste, war selbst ihm ein Rätsel. Sowohl der Tod Evelyns als auch seine, für ihn höchst überraschend erfolgte Abberufung von seiner Position durch den Militärchef Voorn sowie die für Hochverrat übliche sofortige Bestrafung in Form einer Versklavung waren beide in der gleichen Nacht erfolgt. Wer oder was danach die Führung des Hauses übernommen hatte, wusste Khelar nicht. Da war er bereits auf dem Weg nach Thanarim.

Als Khelar bewusst wurde, dass er außer seinen Befreiern und deren Auftraggeberin quasi keine Verbündete mehr besaß, wurde er tatsächlich gesprächig und erzählte, in der Hoffnung, lange genug am Leben zu bleiben, um eine zweite Chance zu bekommen, von seinen Erlebnissen in Erelhei-Cinlu, die sich – zusammen mit dem, was Zurgin, Durrak und Imogen bereits über die Dunkelelfen wussten – für die Abenteurer zu dem folgenden Bild zusammenfügten.

Erelhei-Cinlu war die größte und mächtigste Ansiedlung von Dunkelelfen in der hierzulande bekannten (Unter-)Welt. Die verschiedenen Stadtteile wurden dabei von den acht herrschenden Häusern verwaltet. Natürlich lebten die adligen Matronen nicht in der Stadt, sondern besaßen alle großartige Villen jenseits des unterirdischen Flußes, der die Nordseite der Stadt umfloss. Haus Tormtor, das derzeit mächtigste, de-facto die Regierung der gesamten Dunkelelfengesellschaft, war für die Verteidigung der mächtigen Mauern rund um Erelhei-Cinlu verantwortlich und griff dazu, da es offenbar seit der Zeit der Priesterinnen-Kriege trotz Verteidigung der Spitzenposition nicht mehr allein dazu in der Lage war, auch auf militärische Unterstützung durch Haus Despana zurück. Durch diese Verbindung war auch Khelar an die ein oder andere Information gelangt, die ihm sonst als männlichem Vertreter eines konkurrierenden Hauses keinesfalls zugestanden worden wäre. Zum Beispiel das Gerücht, dass Tormtor die offene Aggression des Hauses Vae gegenüber den Völkern der Oberfläche als völlig falsche Strategie verurteilte und stattdessen geheime Verbindungen zu den Völkern im Licht pflegte – was im Übrigen durch die Identifizierung des Siegels auf den Depeschen an Raidath als Wurfspeer, das Zeichen des Hauses Tormtor einiges an Plausibilität dazu gewonnen hatte; zum Beispiel, dass Despana im ständigen Kampf um Ansehen und Einfluss innerhalb Erelhei-Cinlus kurz davor war, Haus Aleval zu überholen und den stets immens gefährlichen zweiten Rang hinter dem führenden Haus einzunehmen, ganz besonders gefährlich, da Haus Despana bereits eigene Soldaten, wenn auch unter der Führung Tormtors, in den Reihen der Mauerwache quasi stationiert hatte. Eine besonders brenzlige Situation für die sowieso jederzeit fragile Hierarchie zwischen den Häusern.

Und in dieser bereits angespannten Situation wird offenbar die (zu?) erfolgreiche Matrone Evelyn der Despana entthront und vielleicht durch eine Marionette eines anderen Hauses ersetzt. Von wem? Mit wessen Hilfe? Alles völlig unklar und Zurgin, Imogen, Durrak, Yue Fei, Xannry und Xander mittendrin in einer bislang völlig unbekannten Welt. Wenn da nur nicht dieser vermaledeite Kelch im Besitz der inzwischen wiedererweckten Evelyn Despana und ihrer Geliebten Anybys Velifane, einer – laut Khelan – hochstufigen Magierin, wäre, und die Gerüchte, dass tatsächlich aus Erelhei-Cinlu, noch dazu aus dem herrschenden Haus, bestimmte Anweisungen an die Regierung von Cammére in der Gestalt von Raidath gesandt worden waren, der durch seine vampirischen Fähigkeiten den größten Teil des Hofrates unter seiner Kontrolle hatte…

Genau hier mussten die Kameraden ansetzen, um ihr langfristiges Ziel zu verfolgen, den Krieg an der Oberfläche zu stoppen, noch bevor er richtig Schwung aufgenommen hatte.

Einladung nach Erelhei-Cinlu

Also machten sie sich postwendend auf den Weg, ihre Befreiungsaktion in das umzuwandeln, was sie dringend brauchten: das Vertrauen einer Dunkelelfin, die ihnen, neben einem Kelch für Xannry, auch als Zugang zu der vermuteten Quelle der Kriegstreibereien dienen könnte.

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